© WFB/Jonas Ginter
Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen – und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.
Im Juli 2021 stand uns die gebürtige Schweizerin Dr. Véronique Helfer vom ZMT für unser Format "Wissenschaft persönlich" Rede und Antwort! Lest das spannende Interview, indem sie uns verrät, warum sie Bremen mit einem Buckelwal vergleicht, wir unbedingt ihren Mann kennenlernen sollten und Mangroven so faszinierend sind.
Übrigens: am 26. Juli ist der internationale Tag der Mangrove!
Ich wäre in der Umweltbildung oder Wissenschaftskommunikation oder im Umweltschutz (Landesamt, NGO) aktiv geworden, weil es mir wichtig ist, Menschen für die Herausforderungen, vor denen wir in Sachen Umweltschutz stehen, zu sensibilisieren, aber auch für die Schönheit und Faszination der Natur und des Lebens. Ich habe ein paar Jahre in dieser Richtung gearbeitet, aber ich vermisste den Reiz des Forschens. Die Arbeit am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) erlaubt es mir nun, beides zu verbinden: meine Leidenschaft für die Wissenschaft und mein Bedürfnis, etwas zu tun, das in der Gesellschaft etwas für den Umweltschutz bewegt.
Es gibt zahlreiche sehr unterschiedliche Momente, die mich begeistern; eine technische oder analytische Anwendung entwickeln, die genau das macht, was du willst; Daten analysieren und die erwarteten, oder – sogar noch mehr – unerwarteten Ergebnisse erhalten; neue Projekte entwickeln im Austausch mit Kolleg:innen; und natürlich vor allem: die einzigartigen Momente während der Feldarbeit, wenn man Orte besucht, die man sonst nie sehen würde, selbst wenn es bedeutet, hüfttief im Schlamm zu versinken, oder bis zum Hals im Wasser einen Kanal zu durchwaten, ohne zu wissen, was sonst noch im Wasser ist...
Ich würde einen lebenden Mangrovenbaum mitnehmen (und gut warm halten); daneben stünde die Mangrovenstele des ZMT, ein interaktiver Touchscreen mit Videos, in denen verschiedene ZMT-Forscher:innen ihre Erfahrungen mit der Mangrovenarbeit weltweit teilen. Ich denke es ist gut, diese verschiedenen Perspektiven zu haben: Mangroven sind sehr divers, Forscher:innen auch.
Mangrovenökosysteme sind wichtige Küstenökosystem, die viele Ökosystemleistungen für die Bevölkerung vor Ort (natürliche Ressourcen, Küstenschutz, usw.) aber auch die Menscheit weltweit (Klimawandel-Mitigation) bieten. Unsere Forschung hat zum Ziel, die Struktur und Prozesse dieser Ökosysteme, und wie diese Ökosystemleistungen unter sich ändernden Umweltbedingungen antreiben, besser zu verstehen. Wir möchten mit unserem Wissen Entscheidungsträger:innen und Manager:innen informieren und in ihrer Arbeit unterstützen.
Fortschritt reicht von der Entwicklung neuer Methoden bis zu Beiträgen zum Wissen über Mangroven und ihre Funktionsweise. Manchmal sind das nur kleine Schritte, aber diese kleinen Schritte sind spannend und wichtig. Dazu gehört auch der Austausch mit und die Ausbildung von jungen Forscher:innen.
Als ich ans ZMT kam, hatte ich die ich Idee im Gepäck, mit Umwelt-DNA zu arbeiten, um die Biodiversität in Mangrovenökosystemen zu dokumentieren. Daraus, in Kombination mit Modellierungstechniken, lässt sich die zukünftige Verbreitung von Organismen und Ökosystemprozessen- und -leistungen vorhersagen. Wir haben jetzt am ZMT ein Labor für die Analyse von Umwelt-DNA eingerichtet und nutzen Umwelt-DNA für diverse Forschungsfragen, z.B. Änderungen der Artenzusammensetzung von Lebensgemeinschaften oder Transport und Austausch von organischem Material zwischen Küstenökosystemen. Wir versuchen auch, in die Vergangenheit zu reisen, indem wir das Archiv von uralter DNA zu Rate ziehen, die tief im Sediment gespeichert ist.
Ich bin im Herbst 2014 nach Bremen gekommen, um mit meinem Kollegen Martin Zimmer an Mangroven zu forschen. Ich kam aus Salzburg (Österreich), wo wir beide als Postdocs in der Alpinen Tierökologie gearbeitet und kooperiert hatten; damals waren Alpensalamander mein Hauptstudienobjekt. Studiert und promoviert habe ich in Lausanne (Schweiz).
Was mich in Bremen hält, ist wirklich das ZMT: an einem Institut zu arbeiten, das nach Lösungen für die nachhaltige Nutzung von Küstenökosystemen sucht. Hier kann ich beides, meine Leidenschaft für Wissenschaft und mein Bedürfnis, für die Umwelt zu arbeiten, vereinen.
Ja, mir fehlen die Berge der Schweiz; dort bin ich geboren und aufgewachsen . Ich vermisse diese Landschaft.
Ich bevorzuge nicht-motorisierte Mobilität. Ich genieße den Luxus, mit dem Fahrrad zwischen zuhause und der Arbeit pendeln zu können. Die besten Alternativen sind der öffentliche Personennahverkehr und, wenn es den doch mal gar nicht ohne Auto geht, Car-Scharing (Bremen ist hier – mit Cambio – einer der bundesweiten Vorreiter).
Forscher:innen in Bremen untersuchen sehr unterschiedliche Regionen der Welt, von den Polen bis in die Tropen. Der Buckelwal mit seinen langen und ausgedehnten Wanderungen spiegelt das für mich am besten wider.
In Salzburg geriet ich in die unglückliche Situation, bereits kurz nach meiner Ankunft als Postdoc ohne Arbeitsgruppe dazustehen. Dadurch war ich gezwungen, mich mit neuen Kolleg:innen zu vernetzen und ein neues "wissenschaftliches Zuhause" zu finden. Ich entschied mich dazu, mich einer botanischen Arbeitsgruppe anzuschließen, da dort dieselben (molekularen) Methoden und Ansätze (an anderen Objekten) angewandt wurden wie ich sie für meine Arbeit gewählt hatte. Als Zoologin war ich zwar thematisch eine Außenseiterin, aber ich habe in dieser Zeit, in diesem Team und durch den Austausch mit anderen Kolleg:innen der Abteilung, viel gelernt und meinen Horizont für neue Methodiken und Forschungsgebiete geöffnet.
…all die derzeitig noch laufenden Projekte zu beenden! Ich kann mich sehr schnell für neue und verschiedenste Forschungsfelder begeistern – dann bleibt mir häufig nur wenig Zeit, all meine Aufgaben zu erfüllen.
Ich denke, es gibt keine Erfolgsformel. Glück spielt eine große Rolle in unserer Arbeit, sowohl bzgl. der "großen" Entdeckungen, die wir machen, als auch auf dem Karriereweg. Man braucht definitiv Beharrlichkeit, Lust am Lernen (immer und immer wieder), kritisches Denken, Demut, und viel Austausch mit Kolleg:innen.
...als Scheitern würde ich es nicht bezeichnen, aber es fiel mir sehr schwer, meine Dissertation zu einem Ende zu bringen und als gut genug zu befinden, sie einzureichen: ich wollte immer mehr machen, immer noch zusätzliche Proben einbeziehen, um die bis zum Schluss bestehenden Ungereimtheiten zu beseitigen. Das hat sich natürlich auf meinen Karriereweg ausgewirkt, da die Wissenschaftsszene und die Förderungsmechanismen wirklich kompetitiv sind, und häufig solche Entscheidungen während der frühen Karriere nicht verzeihen.
Bei der Gartenarbeit, beim Spielen und Spaziergehen mit unseren Hund „Lilly“, oder mit Musik.
Ich mag es, "auf dem Land" zu leben; die Umgebung von Borgfeld/Lilienthal ist für mich ideal. Man kann ganz einfach mit dem Fahrrad durch das Blockland zur Arbeit fahren (das ist für mich unbezahlbar!). Wenn man Lust auf Kultur hat, ist die Stadt mit der Bahn ganz einfach zu erreichen; nur eine halbe Stunde weg vom Theater oder von der Glocke.
Mit meinem Kollegen und Ehemann Martin Zimmer, und anderen netten Kolleg:innen am ZMT, um unterschiedliche Forschungs- und Lebensinteressen und Erfahrungen zu teilen.
Ich habe mein Leben lang davon geträumt, die Bedingungen und die Umwelt der Antarktis zu erleben. Ich wünschte, ich könnte einmal mit einer anderen Forscherin tauschen, um in der Antarktis Feldarbeit zu machen.
© WFB/Jonas Ginter
Geburtsjahr
1976
Fachbereich / Forschungsfeld
Ökologie / Mangrovenökologie
Aktuelle Position / Funktion
Senior Scientist
Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt
Forschung an diversen Projekten, Betreuung von Student:innen
Familienstand
Verheiratet; zwei bezaubernde Stieftöchter und einen Hund „Lilly“
© WFB / terra-air-services
© WFB/Jonas Ginter