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Wissenschaft persönlich: Dr. Stefanie Arndt

Eine Faru steht in einem Lagerraum und hält sich an einer Maschine fest
Dr. Stefanie Arndt ist Wissenschaftlerin beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) im Fachbereich Klimawissenschaften/Meereisphysik. Ihr aktuelles Forschungsprojekt handelt vom Schnee auf antarktischem Meereis.

© WFB/Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Oktober 2020 stand uns Dr. Stefanie Arndt Rede und Antwort: Für sie gibt es in ihrem Job als Wissenschaftlerin (PostDoc) am Alfred-Wegener-Institut (AWI) Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven jeden Tag etwas Spannendes zu entdecken. Während sie detektivisch an Schnee auf antarktischem Meereis forscht, taucht sie mit der Lupe in die Lebensgeschichte der Schneekristalle ein. Wie sie es schafft, sich von Stolpersteinen nicht aus der Bahn bringen zu lassen und warum sie es genießt einmal jährlich auf Forschungsexpedition mit der POLARSTERN zu gehen, verrät sie euch in unserem Interview.

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
    Mich hat es schon immer gereizt mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben. Daher war mein Plan B tatsächlich immer Lehrerin zu werden. Auch wenn es nun nicht der klassische Lehrer-Beruf geworden ist, so sehe ich den Wissenstransfer aber nach wie vor als wichtigen Baustein meiner Arbeit. Und das natürlich auch in Schulen, die ich regelmäßig besuche um schon den Jüngsten unserer Gesellschaft die Bedeutung des Klimawandels und Wichtigkeit des Klimaschutzes ans Herz zu legen – und zur Ausbildung nächster Polarforscher-Generationen zu motivieren.
  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?
    Ein ganz besonderer Teilaspekt meines Berufes ist das Expeditionsleben. Ich bin in der Regel einmal im Jahr mit unserem deutschen Forschungseisbrecher R/V Polarstern in den Polarregionen unterwegs. Wenn man draußen an Deck steht und das Eis am Rumpf des Schiffes brechen und knacken hört, und bis zum Horizont nichts als weiße Eiswüste sieht, sind das Bilder und Momente, die für lange im Gedächtnis bleiben – wenn nicht sogar für immer. Auf diesen Schiffsexpeditionen werden wir dann oftmals mit dem Helikopter auf eine Eisscholle geflogen, wo wir für mehrere Stunden arbeiten. Ich versuche mir dann immer ein paar Minuten zu nehmen um die Ruhe zu genießen und mir vorzustellen, wo ich gerade auf dem Globus bin und wie viele tausend Meter Wasser unter mir sind, von denen ich nur durch das ein bis zwei Meter dicke Meereis getrennt bin. Ein unbeschreibliches Gefühl, was mich seither prägt. Zu einer Expedition gehört aber natürlich nicht nur die Arbeit im Feld, sondern auch die logistische Vorbereitung und die wissenschaftliche Aufarbeitung der Daten und Diskussionen darüber mit Kolleg*innen im Institut und auf der ganzen Welt. Und auch diese Detektivarbeit sorgt jeden Tag für neue Begeisterung und Freude an meinem Beruf – und macht jeden Tag super abwechslungsreich und spannend. Ich kann also nicht sagen, wann mein Job im Speziellen klasse ist – denn er ist es jeden Tag auf ein Neues.
  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucherinnen und Besuchern erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?
    Mein Stand hätte drei Stationen, an denen die Besucher mit allen Sinnen auf polare Expedition gehen würden. An der ersten Station würde man mit Kopfhörern auditiv eine Schiffsexpedition starten: Das Wellenrauschen und Stampfen des Schiffes würde nach und nach in das Knacken des Eises beim Eisbrechen der R/V Polarstern übergehen. An der nächsten Station würde ich einen großen Bildschirm aufstellen, auf dem ich Bild- und Filmmaterial vom arktischen und antarktischen Meereis zeigen würden. Damit würden die Besucher einen visuellen Eindruck in die polaren Regionen und unsere Arbeiten auf dem Eis bekommen. Daneben würde dann an der dritten Station auf einem Tisch ein Eiskern liegen, den wir aus dem Meereis gebohrt haben. Den Eiskern dürften die Besucher anfassen, um die Kälte zu spüren. Aber tatsächlich auch riechen und schmecken, um die salzige Verbindung zum Ozean zu verinnerlichen - und so ganz nebenbei zu lernen, dass Meereis ganz leicht salzig ist, womit es sich damit fundamental von den grönländischen und antarktischen Eisschilden und Gletschern unterscheidet.
  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?
    Der vorherrschende globale Klimawandel trifft uns alle. Dennoch gibt es viele Bausteine, die wir noch besser verstehen müssen um abschätzen zu können, was die Zukunft bringen wird. So wissen wir zwar, dass die Polarregionen am stärksten von den momentanen Veränderungen im Klimasystem betroffen sind, aber gleichzeitig zeigen Klimamodelle in genau diesen Regionen die größten Unsicherheiten. Deswegen ist es wichtig, dass wir in den Polarregionen regelmäßig vor Ort Messungen durchführen, nicht nur im Meereis, sondern auch in der Atmosphäre, dem Ozean und dem damit verbundenen Ökosystem, um die hier vorherrschenden Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Komponenten und die daraus resultierenden Folgen besser zu verstehen. Und genau diese Erkenntnisse und Ergebnisse transportieren wir in die Gesellschaft und Politik, um gemeinsam Strategien zu entwickeln, wie wir dem Klimawandel zukünftig entgegenwirken könnten und wie wir uns gleichzeitig an die bereits auftretenden Auswirkungen anpassen müssen.
  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Forschung von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?
    Ich denke nicht, dass wir die Welt retten. Viel mehr trägt die Kombination unsere erlangten Forschungsergebnisse aus den Messungen vor Ort, den Klimamodellen und satelliten-basierter Fernerkundungsdaten dazu bei, vergangene, aktuelle und zukünftige Veränderungen unseres Planeten zu verstehen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse können wir dann Empfehlungen an die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geben, wie wir gemeinsam die Welt retten könnten – inwiefern das aber umgesetzt wird, liegt dann nicht mehr in unserer Hand.
  • Verraten sie uns Ihr liebstes Forschungsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?
    Mein liebstes Forschungsmedium ist der Schnee. Auch wenn der Schnee auf dem Meereis im Vergleich zu Schnee auf den Gletschern nur maximal 2-3 Jahre bestehen bleibt, weil das darunterliegende Meereis spätestens dann geschmolzen ist, kann er uns eine Menge über die Geschichte der Eisscholle erzählen. Anhand der Struktur und Größe einzelner Schneekristalle in unterschiedlichen Schichten der bis zu einem Meter dicken Schneeauflage können wir so zum Beispiel auf die saisonalen Temperaturveränderungen und sogar Windgeschwindigkeit rückschließen. Denn so zerstört starker Wind die dendritische Struktur der Schneekristalle und lässt sie in winzig kleine Körner zerfallen. Im Gegensatz dazu lässt ein großer Temperaturgradient in der Schneeschicht zwischen der sehr kalten Atmosphäre und dem verhältnismäßig warmen Meereis die Schneekristalle zu sehr großen wunderschönen Tiefenreif-Kristallen wachsen. Diese unterschiedlichen Kristallgrößen tragen wiederum zur Energie- und Massenbilanz des Meereises bei, also zum Beispiel dazu, wann und wie stark das Meereis schmilzt oder an Dicke gewinnt.
    Wenn ich also auf meiner Eisscholle sitze, tauche ich in diese Lebensgeschichte am liebsten mit der Lupe ein, unter der ich mir Schicht für Schicht die Schneekristalle anschaue, die mir dann wiederum ihre persönliche Geschichte erzählen.
  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?
    Das erste Mal führte mich mein Praktikum im Meteorologie-Studium in Berlin 2010 nach Bremerhaven. Für das anschließende Masterstudium bin ich dann nach Hamburg gezogen und habe mich hier entschieden ein weiteres Praktikum in Bremerhaven zu absolvieren – diesmal in der Sektion der Meereisphysik, weil ich das Forschungsgebiet sehr spannend fand und großes Interesse an dem Winterexperiment in der Antarktis in 2013 hatte, wo die Meereisarbeiten natürlich eine große Rolle spielen sollten. Mein Praktikum hat mir so gut gefallen, dass ich dann 2012 im Sommer endgültig nach Bremerhaven gezogen bin um hier auch meine Masterarbeit zu schreiben. Wie es der Zufall wollte, konnte ich dann nicht nur an dem antarktischen Winterexperiment teilnehmen, sondern es bot sich auch die Möglichkeit in der Sektion zu promovieren. Da habe ich nicht lange gezögert – und es bis heute, einige Jahre nach der Promotion, nicht bereut.
  • Was schätzen Sie am Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?
    Wenn man national und international über deutsche Polarforschung spricht, spricht man direkt über Bremen, Bremerhaven und natürlich das Alfred-Wegener-Institut – DAS deutsche Polarforschungsinstitut. Das Institut ist in diesem Forschungsbereich unglaublich attraktiv, weil es alle erdenklichen Forschungsdisziplinen der polaren Bio-, Geo- und Klimawissenschaften zusammenbringt. Das erlaubt kurze Wege von Synthesen der eigenen Arbeit im Institut, aber auch ein interdisziplinäres Auftreten nach außen. Dazu kommt, dass unser deutscher Forschungseisbrecher, die R/V Polarstern, ihren Heimathafen in Bremerhaven hat. Das macht nicht nur die logistischen Wege zur Expeditionsvorbereitung kurz – sondern vermittelt mir immer wieder ein zusätzliches polares (Heimat-)Gefühl in der Seestadt.
  • Fehlt Ihnen etwas?
    Nein :-)
  • Die Wege in Bremen sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?
    Bremerhaven ist nicht groß. Das Fahrrad ist also bei Wind und Wetter mein stetiger Begleiter.
  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?
    Das Logo unserer Sektion zeigt eine abgewandelte Form der Bremer Stadtmusikanten, bei dem ein Eisbär eine Robbe, einen Pinguin und eine Eismöwe trägt. Da ich mit dem Land Bremen starke polare Verbindungen assoziiere, sind es also auch diese Wegbegleiter meiner Expeditionen, die ich mit Bremen und Bremerhaven verbinde.
  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?
    Ich glaube, es gibt nicht die eine große Herausforderung, der ich mich in meiner wissenschaftlichen Laufbahn stellen musste, sondern es sind immer wieder kleine Stolpersteine, die die tägliche Arbeit mit sich bringt und gleichzeitig spannend und abwechslungsreich gestaltet.
  • Welche stehen Ihnen noch bevor?
    Genau mit diesen kleinen und großen Herausforderungen geht es weiter, denen ich mich aber nach wie vor gerne stelle. Dazu ist für mich als Jungwissenschaftlerin natürlich die größte Herausforderung und Frage für die kommenden Monate und Jahre, wie und ob mein Weg in der Wissenschaft weitergehen kann.
  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?
    Ich denke, es ist wichtig, dass man eine klare Vorstellung von seinen Zielen und Visionen hat und sich nicht durch kleinere und größere Stolpersteine aus der Bahn werfen lässt. Ein wichtiger Wegweiser auf diesem Wege sind dabei offene, ehrliche und transparente Kommunikation – das Grundgerüst für gute wissenschaftliche Arbeit.
  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?
    Nach einem langen Tag im Büro entscheide ich mich manchmal bewusst gegen die 10 Minuten auf dem Fahrrad nach Hause, sondern gehe zu Fuß am Wasser entlang – gerne auch mit einem kleinen Umweg. Die Bewegung an frischer Luft in Kombination mit dem Weitblick über das Wasser bringen mich wunderbar auf andere Gedanken und ich komme erholt Zuhause an.
  • Der/Die nächste Nachwuchswissenschaftler/in zieht nach Bremen. Was würden Sie ihm/ihr raten, wo er/sie wohnen und abends weggehen soll?
    Der Weserdeich in Bremerhaven ist ein definitives Muss. Bei schönem Wetter trifft sich hier abends die halbe Stadt um gemütlich zusammen zu sitzen, sich die Seeluft um die Nase wehen zu lassen und den wunderschönen Sonnenuntergang über der Weser zu beobachten.
  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einem Bremer oder einer Bremerin tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?
    Ich sehe jeden Tag die Schlepper auf der Weser, die große und kleine Frachter leiten und beim Schleusen unterstützen. Ich habe überhaupt keine Vorstellung davon, was diese Arbeit im Detail bedeutet, würde das aber gerne einmal ausprobieren. Denn den ganzen Tag bei der Arbeit auf dem Wasser zu sein, finde ich äußerst reizvoll und spannend zugleich.
Eine Frau steht vor einem See

© WFB/Ginter

Dr. Stefanie Arndt

Geburtsjahr
1988

Fachbereich / Forschungsfeld
Klimawissenschaften/Meereisphysik

Aktuelle Position / Funktion
Wissenschaftlerin (PostDoc)

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt
Schnee auf antarktischem Meereis

Familienstand
ledig

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