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Wissenschaft Persönlich: Dr. Sebastian Bartsch

Ein Mann vor einer Nachbildung des Monds.
Teamleiter für "Verhaltenssteuerung, Simulation und Evaluation" am Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI)

© WFB/Jonas Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Mai 2018 stand uns Dr.-Ing Sebastian Bartsch Rede und Antwort. Der gebürtige Bremer ist Teamleiter für "Verhaltenssteuerung, Simulation und Evaluation" am DFKI Robotics Innovation Center und forscht in den Bereichen Raumfahrtrobotik und Autonomes Fahren.

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?
    Kommt drauf an, wie weit ich an mögliche Scheidepunkte zurückdenke. Chronologisch geordnet ungefähr so: Karussellbauer, Architekt, Jet Pilot.
  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?
    Ich arbeite gerne mit motivierten kreativen Köpfen aus unterschiedlichen Disziplinen, wie bspw. Maschinenbau, Elektrotechnik, Mathematik, Informatik, Biologie, Psychologie, etc. zusammen, um gemeinsam technischen Systeme zur Bewältigung von herausfordernden Aufgaben zu entwickeln. Das habe ich in meinem Job fast jeden Tag. Das schönste dabei ist, wenn die Konzepte realisiert sind, alles Schritt für Schritt integriert und in Betrieb genommen wird und richtig ineinandergreift.
  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucherinnen und Besuchern erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?
    Ich würde versuchen den Besuchern einen Eindruck davon zu vermitteln, wie Roboter die Welt mit ihren Sinnen wahrnehmen und wie sie mit ihren Antrieben Bewegungen ausführen können, um mit der Welt zu interagieren. Es sollte den Besuchern verdeutlichen wie kompliziert es ist, Aufgaben, die wir Menschen „mal eben nebenbei“ erledigen, mit der bisher verfügbaren Robotertechnologie durchzuführen und wo und weshalb wir Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) anwenden, um die Fähigkeiten der Systeme zu steigern.
    Dafür würde ich die Besucher in ein Exoskelett stecken, über das sie einen Roboter in einer virtuellen Welt steuern können. Sie würden nur das sehen, fühlen und hören, was der Roboter mit seinen Sensoren wahrnimmt und wären auch nur so stark, wie es die Motoren des Roboters erlauben. Sie könnten in der virtuellen Welt als Roboter miteinander interagieren und sollten bestimmte Aufgaben ausführen wobei sie nach und nach auf mehr KI-Methoden zurückgreifen könnten, um ihnen die Bewältigung der Aufgaben zu erleichtern.
  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?
    Mit der Weltraumrobotik stellen wir Technologien und Systeme zur Verfügung, die, im Vergleich zur bemannten Raumfahrt, verhältnismäßig günstigen Zugang zum Orbit, zu Planeten und zu Asteroiden bieten, um dort Operationen durchführen zu können, oder diese überhaupt erst ermöglichen. Die möglichen Anwendungen können dabei kommerziellen Zielen, wie der Wartung und Instandhaltung von Satelliten (zum Beispiel Kommunikation) oder der Beseitigung von Schrott (ausgedienten Satelliten, Raketenstufen, etc.) aus den Umlaufbahnen dienen. Sie können jedoch auch zur Erforschung des Weltalls eingesetzt werden, um die Entstehung unseres Sonnensystems zu verstehen oder die Suche nach extraterrestrischem Leben zu betreiben. Wenn Menschen in Zukunft in Forschungsstationen oder sogar Siedlungen auf anderen Planeten leben sollten, könnten Roboter vorab den Aufbau der Stationen erledigen und während des Betriebs Wartungsarbeiten durchführen.
    Neben der Weltraumrobotik gibt es noch viele weitere irdische Anwendungsbereiche in denen die Technologien in Zukunft wesentliche gesellschaftliche Bedeutungen bekommen werden. Zum Beispiel beim Abbau von Ressourcen in der Tiefsee, bei der Ausführung von Servicetätigkeiten sowie dem automatisierten Personentransport.
  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Forschung von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?
    Ich spreche von Fortschritt, wenn wir etwas entwickelt haben, das zuverlässig, robust und wiederholbar unter unterschiedlichen Bedingungen funktioniert oder wir nachweisen können, dass der bisher verfolgte Lösungsansatz aufgrund von bestimmbaren Gründen doch nicht der richtige Weg ist.
    Mit unseren Entwicklungen werden wir nicht unbedingt die Welt retten, aber wir können im Kleinen dazu beitragen unseren Wohlstand zu erhalten, die Lebensqualität zu verbessern und dabei schonend und nachhaltig mit unserer (Um-)Welt umzugehen. Beispiele dafür sind Roboter, die uns Zugang für den sicheren Abbau von Ressourcen auf fernen Himmelskörpern oder in der Tiefsee ermöglichen oder auch Exoskelette, mit denen Menschen bei schwerer körperlicher Arbeit entlastet oder Schlaganfall-Patienten therapiert werden können.
  • Verraten sie uns Ihr liebstes Forschungsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?
    Die liebsten Forschungsinstrumente sind mir komplexe Roboter, die ich für empirische Forschung nutze. Am besten konnte ich das bisher mit dem Roboter SpaceClimber im Rahmen meiner Dissertation machen.
  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?
    Mein Weg nach Bremen führte direkt in die Entbindungsstation des St. Joseph-Stifts. Meine Familie ist schon seit drei Generationen an diesem wunderbaren Ort verankert. Ich bin ein Nordlicht und fühle mich hier am wohlsten.
  • Was schätzen Sie am Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?
    Am Robotics Innovation Center des DFKI habe ich einen sehr abwechslungsreichen Job mit der Möglichkeit an einer Vielzahl unterschiedlicher Technologien für verschiedenste Anwendungen zu arbeiten. Ich glaube nicht, dass ich irgendwo anders einen vergleichbar vielseitigen und spannenden Arbeitsplatz finden könnte. Bremen bietet viele Möglichkeiten, die Wege sind kurz und es ergeben sich viele Gelegenheiten zu Kooperationen mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Auch daher bin ich, was das Arbeitsumfeld im Bereich der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung angeht, persönlich sehr glücklich.
  • Fehlt Ihnen etwas?
    Ein bisschen schade ist, dass es in Bremen wenige Unternehmen gibt, die Arbeitsplätze in den Bereichen Robotik und Künstliche Intelligenz (KI) anbieten. Viele der großen ortsansässigen Unternehmen haben ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen an Standorten die eher im süddeutschen Raum liegen und konzentrieren sich in Bremen in erster Linie auf die Produktion. Ich habe schon häufiger erlebt, dass fähige Absolventen oder Kollegen für einen Job in den Süden gezogen sind, obwohl sie gerne hiergeblieben wären. Ein größeres lokales Stellenangebot von Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung, gerne mit Fokus auf Robotik und KI, wäre daher schön, um die Kompetenz in Bremen zu halten.
    Ein weiterer Punkt ist, dass Bremen verglichen mit dem Umland meiner Meinung nach leider weniger Anreize für junge Familien bietet sich langfristig im Bundesland niederzulassen. Kinderbetreuung ist teuer und man kann aufgrund des geringen Angebotes froh sein, wenn man einen Platz in direkter Nähe bekommt. Die Schulen schneiden im nationalen Vergleich seit Jahren schlecht ab. Die Anschaffung und der Unterhalt (Grundsteuern) eines Eigenheims sind vergleichsweise teuer. Das führt dazu, dass viele junge Kollegen sich Eigentum im nahen Umland kaufen, sich dadurch langfristig dort binden und auch ihre Steuern außerhalb zahlen. Ich denke für Bremen wäre es eine gute nachhaltige Investition in die Zukunft daran etwas zu ändern.
  • Die Wege in Bremen sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?
    Zur Arbeit fahre ich mit dem Rad und auch sonst fahre ich Strecken, bei denen ich nicht viel transportieren muss und alleine unterwegs bin, meist mit dem Fahrrad. Für den normalen Einkauf gehe ich zu Fuß, weil ich alles um die Ecke habe. Wenn ich abends ausgehe, nehme ich auf dem Hinweg gerne die Bahn und auf dem Rückweg, je nach Wartezeit, die Bahn oder ein Taxi. Das Auto nehme ich für größere Besorgungen oder Familienausflüge.
  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?
    Ameisen haben viele Eigenschaften mit der Bremer Wissenschaftsszene gemein. Sie sind fleißig, teamfähig, im Kollektiv kreativ, vielseitg, anpassungsfähig und wuselig.
  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?
    Das war bisher definitiv meine Doktorarbeit. Insbesondere in der Schlussphase bin ich geistig und körperlich an meine Grenzen gestoßen. Es hat schon ein paar Monate gedauert, bis ich das verdaut hatte.
  • Welche stehen Ihnen noch bevor?
    Bisher arbeiten alle unsere Roboter, auch wenn sie für einen späteren Einsatz im All konzipiert wurden, auf der Erde. Ein System ins Weltall zu bringen, ist die nächste große Herausforderung.
  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?
    Mir ist es wichtig mich mit Dingen zu beschäftigen, die mir Spaß machen und mich begeistern. Wenn ich Enthusiasmus für etwas aufbringe, kann daraus auch etwas Gutes werden. Daher ist es toll, dass ich meine Arbeit auch als Hobby ausführen kann.
    In den letzten Jahren habe ich jedoch gelernt, dass beständiger Erfolg und Glück auch eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Entspannung erfordern. Meine Familie ist daher meine wahre Erfolgsformel.
  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?
    Mir fällt kein "Scheitern" ein, dass ich besonders hervorheben würde. Dafür jedoch zwei motivierende Zitate:
    "You never fail until you stop trying." ― Albert Einstein
    "Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better." ― Samuel Beckett
  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?
    Durch das Spielen mit meiner Tochter oder Gartenarbeit, wobei mir auch dabei ab und an gute Ideen kommen, ohne dass ich bewusst darüber nachdenke.
  • Der/Die nächste Nachwuchswissenschaftler/in zieht nach Bremen. Was würden Sie ihm/ihr raten, wo er/sie wohnen und abends weggehen soll?
    Zum Wohnen gefallen mir Orte, die eine gute Infrastruktur, Ruhe und Natur in der Nähe bieten. Der Weg zur Arbeit sollte nicht zu lang und gerne mit einer Radfahrt durchs Grüne verbunden sein. Für einen Arbeitsplatz im Bereich der Uni oder des Technologieparks bieten sich Findorff und Schwachhausen mit der Nähe zum Bürgerpark oder auf der anderen Seite Horn, Horn-Lehe und Borgfeld mit dem Hollerland, Jan-Reiners-Weg und Rhododendronpark an. Zum Weggehen würde ich das Viertel mit seinem Bermuda Dreieck oder die Schlachte empfehlen
  • Mit wem würden Sie ihn/sie hier in Bremen bekannt machen wollen?
    Henning Scherf
  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einem Bremer oder einer Bremerin tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?
    Jan Böhmermann​​​​​​​
Dr. Sebastian Bartsch

© WFB/Jonas Ginter

Steckbrief: Dr.-Ing. Sebastian Bartsch

Geburtsjahr

1981

Fachbereich / Forschungsfeld

Robotik

Aktuelle Position / Funktion

Teamleiter für "Verhaltenssteuerung, Simulation und Evaluation" am DFKI Robotics Innovation Center:

Aktuelle Tätigkeit / Aktuelles Forschungsprojekt

Teamleiter, Projektleiter SIROM und CERMCity, Teilprojektleitung TransFit

Derzeit in folgenden laufenden Projekten tätig (Bereiche Raumfahrtrobotik & Autonomes Fahren):

Familienstand

verheiratet, ein Kind

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Nachtrag der Redaktion (Mai 2021):

Seit August 2019 arbeitet Dr. Sebastian Bartsch als Robotics Engineer bei Airbus DS GmbH

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