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Wissenschaft Persönlich: Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge

Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge
Die ehemalige Professorin für Sozialwissenschaften in den marinen Tropen an der Universität Bremen und Abteilungsleiterin der Sozialwissenschaften am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung im Interview.

© WFB/Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Februar 2020 stand uns Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge Rede und Antwort. Sie war Professorin für Sozialwissenschaften in den marinen Tropen an der Universität Bremen und leitete fünf Jahre lang die Abteilung Sozialwissenschaften und die Arbeitsgruppe Entwicklungs- und Wissenssoziologie am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung. 2020 wechselte sie als Direktorin zum Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Im Interview spricht sie über Fake News, Fragen und Zuhören als wichtigste Forschungsmethode, die Bremer Wissenschaftspolitik und über Bergziegen und Gärtnern.

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
    Ich hatte immer Schwierigkeiten, dies zu beantworten. Im Grunde, da ich mich nicht entscheiden konnte: Gärtnerin, Buchhändlerin, Bibliothekarin. Vielleicht auch Juristin.
  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?
    Wenn sich in den vermeintlich widersprüchlichen Komplexitäten des Sozialen Muster erkennen lassen und unterschiedliche theoretische Schulen mir helfen, sie zu erklären.
  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besuchern erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?
    Es wäre ein Stand, in dem sich Menschen in gesellschaftlich ganz unterschiedliche Geräuschmuster, Gerüche, Sprach- und Sinnwelten hineindenken und diese erfahren könnten. Kulturelle Vielfalt und der Reichtum, der diese birgt, ist mit den Sinnen zu erfahren. Unsere Ratio wird dann folgen.
  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?
    Es geht immer um die Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Systemen des Wissens, also wie wir gesellschaftlich was wissen, und Fragen von Ressourcennutzung und Umweltgovernance. Die Fake News-Diskussionen in Bezug auf Klimawandel sind hier ein prominentes Beispiel. Ob bestimmte Wissensbestände gesellschaftlich zum Tragen kommen und politisch gehört werden, oder aber als 'Fake News' delegitimiert werden, sagt uns viel über unsere gesellschaftlichen Wissenssysteme und die gegenseitige Bedingtheit von Wissen und Governance aus.
  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?
    Ich rette die Welt nicht. Aber ich hoffe, einen kleinen Beitrag zu leisten, um die Menschheit in die Lage zu versetzen, sich selbst zu retten über Beiträge zur Stärkung von Wissenschaftssystemen, die Ausbildung gesellschaftlicher Anpassungs- und Mitigationskapazitäten und die Gestaltung transregionaler Dialogprozesse mit dem Ziel, gemeinsam Antworten im Umgang mit Umweltwandel und Entwicklungsfragen zu finden.
  • Verraten sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?
    Fragen und Zuhören.
  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?
    Ich bin 2015 nach Bremen gekommen. Davor hatte ich eine befristete Professur und Direktorenstelle am Zentrum für Entwicklungsforschung der Uni Bonn inne.
  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort?
    Bremen ist ein Wissenschaftsstandort, der seinen Ruhm nicht aus Traditionen zieht, sondern aus dem hier und jetzt. Dies bedeutet, dass sehr bewusste, wissenschaftlich gut reflektierte und strategisch motivierte Wissenschaftspolitik den Bereich im Lande Bremen in die Lage versetzt, Themenfelder zukunftsorientiert zu besetzen, die sonst eher vernachlässigt werden. Die Meereswissenschaften und insbesondere auch die auf das Meer und die Küsten ausgerichteten Sozial- und Kulturwissenschaften sind ein solches Beispiel.
  • Fehlt Ihnen etwas?
    Nein. Oder wenn, dann breitere Fahrradwege.
  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?
    Mit dem Fahrrad. Ich bin auf dem Fahrrad aufgewachsen und schätze es sehr, dass das Fahrradfahren Teil der Bremer Identität ist.
  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?
    Mit einer Bergziege: sie findet ihren Weg mit Ausdauer, Gewendigkeit, Geschick, einem gewissen Grad an Härte gegen sich selbst, aber auch großem Herz für ihr Umfeld.
  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen/beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?
    Es liegt nun schon eine Weile zurück, noch in der Zeit vor Bremen als mein Ehemann und ich uns schrittweise für im Endeffekt drei Kinder entschieden. Auch wenn mein Mann die Hauptlast zu Hause trug, stellte ich fest, dass schon das Wissen um meine Kinder bei Kolleginnen und Kollegen die Annahme hervorruf, dass ich deswegen weniger belastbar sei. Ich wollte aber keine Extrabehandlung. Diese gesellschaftlich vorgefertigten Annahmen abzuwenden stellte zu dieser Zeit eine größere Herausforderung dar, als die eigentliche Forschung und Habilitation.
  • Welche stehen Ihnen noch bevor?
    Sicherlich einige. Vor einigen Wochen habe ich mich entschieden, ab dem 1. März 2020 eine Vollprofessur an der Uni Bonn und die Direktorinnenstelle am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn anzunehmen. Ich habe mich sehr schwer getan mit dieser Entscheidung, denn die Meereswissenschaften, Bremen und insbesondere das Feld der marinen Sozial- und Kulturwissenschaften sind mir in den letzten Jahren sehr ans Herz gewachsen. Gleichzeitig reizt mich diese Herausforderung sehr. Das DIE ist das Institut im deutschen Kontext, das vornehmlich und basierend auf ihrer empirischen Forschung in Asien, Afrika und Lateinamerika die deutsche Entwicklungspolitik berät. Diese Verbindung von empirischer Wissenschaft im Entwicklungskontext und Gestaltungsmöglichkeiten im Feld der Politik und praktischen Entwicklungszusammenarbeit halte ich für zentral wichtig in der Ausgestaltung Deutschlands Rolle in der internationalen Staatengemeinschaft.
  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?
    Ich glaube, es ist sehr wichtig, zu wissen, woraus sich die eigenen Energiequellen speisen. Bei mir ist dies meine Familie, mein Garten und das empirische Feld im Entwicklungskontext. Sie geben mir sehr viel Kraft, auch in Zeiten hoher beruflicher Belastung.
  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?
    Ich hatte über die Jahre natürlich immer wieder auch Misserfolge: Anträge, in die Monate an Arbeit geflossen waren und doch nicht finanziert wurden, Manuskripte, die abgelehnt wurden, Vorträge, die nicht gut liefen, etc... Aber ich würde diese nicht als 'Scheitern' bezeichnen. Wissenschaft hat viel mit Ausdauer, Dranbleiben und einer gewissen Eigensinnigkeit und dem Glauben daran, dass das was man tut, doch auch einen Weg finden wird, zu tun. Insofern sind all' diese Misserfolge eher Teil des Ganzen. Weniger ein 'Scheitern'.
  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?
    Gartenarbeit. Mein Garten ist mein Refugium.
  • Der/Die nächste Nachwuchswissenschaftler/in zieht nach Bremen. Was würden Sie ihm/ihr raten, wo er/sie wohnen und abends weggehen soll?
    Ich würde ihr raten, meine Kollegen zu fragen. Mit drei Kindern verbringe ich meine Abende doch eher zu Hause oder auf Dienstreise.
  • Mit wem würden Sie ihn/sie hier in Bremen oder Bremerhaven bekannt machen wollen?
    Dies hängt von ihrer/seiner Ausrichtung und familiären Situation ab. Sicherlich aber mit den Kolleginnen und Kollegen im Feld der auf das Meer bezogenen Wissenschaften, von Sozial- und Kulturwissenschaften bis in die Naturwissenschaften.
  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einer/m Bremer/in oder Bremerhavener/in tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?
    Wahrscheinlich das vom Bremer Roland. Als teilnehmender Beobachter kennt er wohl das städtische Leben in Bremen am besten.
Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge

© WFB/Ginter

Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge

Stand: Februar 2020

Fachbereich / Forschungsfeld
Fachbereich 8 – Sozialwissenschaften

Aktuelle Position / Funktion
Professur "Sozialwissenschaften in den marinen Tropen" an der Universität Bremen
Abteilungsleitung Sozialwissenschaften, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt

  • Umgang mit Meeresspiegelanstieg in Singapur, Jakarta, Manila (DFG)
  • 2019 - 2021 BMZ: "West Indian Ocean Governance & Exchange Network"
  • 2019 - 2021 BMBF: "Air Pollution Manila"
  • 2019 - 2021 BMBF: "Food for the Future"
  • 2018 - 2021 Volkswagen Foundation: Fiction Meets Science II: "Varieties of Science Narrative", in total 770k€, subproject Hornidge: "Narrating Science as a World-making Activity: Sealevel Change in Singapore"
  • 2016 - 2020 European COST Action: "Ocean Governance for Sustainability – Challenges, Options and the Role of Science"
  • 2018 - 2021 Leibniz ZMT: "The Meaning of Mangroves, Ecuador"
  • 2016 - 2019 DFG Priority Programme 1889: "Epistemic Mobilities and the Governance of Environmental Risks in Island Southeast Asia"


Geburtsjahr
1978

Familienstand
Verheiratet, 3 Kinder

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