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Wissenschaft Persönlich: Dr. Michael Buchwitz

Ein Mann steht neben Satiellitenmodellen.
Der gebürtige Bremer misst mittels Satelliten atmosphärische Gase am Institut für Umweltphysik der Universität Bremen.

© WFB/Jonas Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im August 2018 stand uns Dr. Michael Buchwitz Rede und Antwort. Er forscht am Institut für Umweltphysik (IUP) der Universität Bremen an Satellitenmessungen atmosphärischer Gase. Der gebürtige Bremer hat schon an der Uni Bremen studiert und arbeitet seit 1993 am IUP.

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler oder Raumfahrtexperte geworden wären?
    Ich habe immer gerne gemalt und hatte lange Zeit ernsthaft vor, Künstler zu werden. Später hat mich auch der medizinische Bereich sehr interessiert. Ich habe einige Jahre als Sanitäter gearbeitet, unter anderem auf dem Bremer Rettungshubschrauber. Letztlich habe ich mich aber für ein Physik-Studium entschieden.
  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?
    Es macht Spaß, wissenschaftliche oder technische Fragestellungen zu bearbeiten, insbesondere, wenn dies zu nützlichen Ergebnissen führt. Man denkt vielleicht, diese Arbeiten sind der Normalfall bei einem Wissenschaftler, aber mein Alltag wird oft durch andere Sachen dominiert, die meist etwas mit Projekten und deren Beantragung, Planung und Finanzierung zu tun haben. Dies kann auch Spaß machen, ist aber seltener mit Begeisterungsstürmen verbunden.
  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucherinnen und Besuchern erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?
    Die von uns aus dem Weltraum mittels Satelliten gemessenen CO2-Zeitreihen zeigen einerseits einen starken Anstieg, da die Menschheit viel CO2 durch die Verbrennung von Öl, Kohle und Erdgas in die Luft pustet, und andererseits starke jahreszeitliche Schwankungen, die durch die Aufnahme und Abgabe von CO2 durch Pflanzen entstehen. Man könnte diesen Verlauf zum Vorbild nehmen und eine Riesenrutsche mit einer langen huckeligen Abfahrt bauen. Über einen lustigen Mechanismus, der einen nach oben bringt, müsste ich noch nachdenken. Die mit dem CO2-Anstieg verbundene Klimaproblematik ist natürlich nicht so lustig. Aber vielleicht schafft es ja die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten, die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. Dann wäre die Rutschpartie mit ungetrübter Freude verbunden. Falls dies beim Publikum dann trotzdem nicht so der Renner wird, dann vielleicht etwas mit Raketen, Satelliten und Schwerelosigkeit. Das wäre dann aber nichts für mich, denn mir wird schon im Kettenkarussell schlecht.
  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?
    Klimawandel und Luftverschmutzung sind wichtige Themen, wie man fast jeden Tag den Medien entnehmen kann, und es gibt eine Vielzahl damit verbundener wissenschaftlicher Fragestellungen. Wir versuchen mittels Satelliten- und Flugzeugmessungen unseren Beitrag zur Beantwortung einige dieser Fragen zu leisten.
  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?
    Die Hauptaufgabe eines Wissenschaftlers in der Forschung ist es, neue und interessante wissenschaftliche Ergebnisse in begutachteten wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu publizieren. Das macht oft Spaß, ist typischerweise aber auch ein zeitaufwendiger, mühevoller Prozess mit vielen Höhen und Tiefen. Wenn dies gelingt, hat man die Wissenschaft weiter gebracht - mal mehr, mal weniger. Inwieweit dies dann zur Rettung der Welt beiträgt, ist aber eine ganz andere Frage.
  • Verraten sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?
    Zunächst benutze ich meist ganz schlicht Papier und Stift und Diskussionen mit Kollegen um Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Letztlich kommt aber immer der Computer zum Einsatz um große Datenmengen einzulesen bzw. zu erzeugen und diese dann geeignet zu verarbeiten und zu interpretieren.
  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?
    Ich wurde ungefragt von meinen Eltern in Bremen geboren, aber bin mit diesem Schicksal sehr zufrieden.
  • Was schätzen Sie am Wissenschafts- und Raumfahrtstandort Bremen? Was hält Sie hier?
    Bremen ist eine tolle Stadt. Nicht zu groß und nicht zu klein, mit viel Grün und kurzen Wegen zwischen Forschungseinrichtungen, Industrie und Behörden. Wo kann man sonst bei einer Dienstreise mit dem Fahrrad zum Flughafen fahren? Alles ist konzentriert auf recht kleinem Raum und dies ist ein großer Vorteil zum Beispiel um bestimmte neue Projekte anzustoßen und effektiv durchzuführen.
  • Fehlt Ihnen etwas?
    Bremen fehlt Geld an allen Ecken und Enden. "Arm, aber sexy" trifft leider auch auf Bremen zu.
  • Die Wege in Bremen sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?
    Schon immer und vorzugsweise mit dem Fahrrad.
  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?
    ​​​​​​​Wie hieß noch mal das Tier, das "ambitioniert und agil" ist?
  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen und beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?
    Die größte Herausforderung jedes neuen Jobs war immer das erste Jahr. Aber auch sonst hat jeder Tag meist mehr oder weniger neue Herausforderungen zu bieten. Oft liegt die größte Herausforderung einfach darin, etwas schnell genug zu erledigen, da Zeit immer Mangelware ist. Eine sehr große Herausforderung war die Erzeugung guter wissenschaftlicher Resultate in den ersten Jahren nach dem Start des ENVISAT Satelliten mit „unserem“ SCIAMACHY Instrument an Bord. Da gab es anfangs viele technische Probleme, großen Erfolgsdruck und starke Konkurrenz. Nach ein paar Jahren Arbeit konnten wir aber erste gute Resultate erzielen und rückblickend ist alles ein sehr großer Erfolg geworden.
  • Welche stehen Ihnen noch bevor?
    Ich habe über die Jahre eine international anerkannte Forschungsgruppe aufgebaut und mein Ziel ist es, diese weiter auszubauen oder sie zumindest auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Leider haben fast alle wissenschaftlichen Mitarbeiter nur befristete Arbeitsverträge, selbst wenn sie viele Jahre dabei sind und Spitzenleistungen erbringen. Ob Arbeitsverträge verlängert werden – selbst wenn Geld über eingeworbene Projekte vorhanden ist – ist sehr unsicher, da der Arbeitgeber sich mit dem Risiko eines Anspruchs auf Entfristung konfrontiert sieht. Das ist alles andere als ideal, wenn man international anerkannte Spitzenforschung machen will, was ohne Expertinnen und Experten mit mehrjähriger Erfahrung schlicht und einfach unmöglich ist. Ansonsten haben wir sehr gute Ideen, was verbesserte Satellitenmessungen – insbesondere für CO2 – betrifft und wir beraten hierbei die ESA* und die europäische Kommission für zukünftige Satellitenmissionen insbesondere im Rahmen der europäischen Copernicus-Initiative mit ihren Sentinel-Satelliten.

    ​​​​​​​*Anmerkung der Redaktion: ESA steht für European Space Agency, also: Europäische Weltraumorganisation.
  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?
    Probleme vom Ende her denken und sich auf dem Weg zum Ziel möglichst nicht verzetteln.
  • ​​​​​​​Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?
    Scheitern? "Failure is not an option", sagte schon Queen Victoria. Ansonsten: Sorry, aber das binde ich nicht jedem auf die Nase.
  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?
    Lesen, malen, sich draußen aufhalten oder ganz schlicht fernsehen oder sich im Haushalt nützlich machen. Mehr Sport wäre gut, aber irgendwas kommt immer irgendwie dazwischen.
  • Der/Die nächste Nachwuchswissenschaftler/in zieht nach Bremen. Was würden Sie ihm/ihr raten, wo er/sie wohnen und abends weggehen soll?
    Bremen hat sehr viele schöne Stadtteile und in einigen davon habe ich bereits selber gewohnt und mich immer sehr wohl gefühlt. In jedem Fall würde ich etwas empfehlen, von wo aus man gut mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt. Je nach Kondition wäre dies im Fall der Uni irgendetwas zwischen Horn, Schwachhausen, Walle und Neustadt. Für abends würde ich das Viertel und Umgebung empfehlen, aber auch die Pusta-Stube, das Bremer Kriminaltheater oder einfach einen Spaziergang an der Weser, am Werdersee oder im Bürgerpark.
  • Mit wem würden Sie ihn/sie hier in Bremen bekannt machen wollen?
    Mit dem Esel der Bremer Stadtmusikanten. Ihn anzufassen bringt Glück und das kann schließlich jeder gebrauchen. ​​​​​​
  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einem Bremer oder einer Bremerin tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?
    ​​​​​​​
    Vielleicht mit der Wissenschaftssenatorin oder mit dem Kanzler der Uni Bremen. Ich würde dann die mir kurzzeitig verliehene Macht sofort missbrauchen, um Arbeitsverträge wichtiger Kolleginnen und Kollegen zu entfristen, was die Planungssicherheit für meine Forschungsgruppe dramatisch verbessern würde. Das würde sicherstellen, dass wir wichtige Beiträge zum Beispiel zu zukünftigen Anträgen der Uni im Rahmen der Exzellenz-Initiative beisteuern könnten und vielleicht würde man mir dann den Missbrauch verzeihen. OK, dies ist ein Scherz – aber gut wär's.
Dr. Michael Buchwitz

© WFB/Jonas Ginter

Steckbrief: Dr. Michael Buchwitz

Geburtsjahr

1961


Fachbereich / Forschungsfeld

Umweltphysik

Aktuelle Position / Funktion

Gruppenleiter

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt

Satellitenmessungen atmosphärischer Gase (Schwerpunkt: Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Kohlenstoffmonoxid (CO)) zum Beispiel im Rahmen dieser Projekte:


Familienstand

geschieden, 3 Kinder

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