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Wissenschaft persönlich: Prof. Dr. Hilke Brockmann

Bild von Prof. Dr. Hilke Brockmann
Prof. Dr. Hilke Brockmann ist Professorin für Soziologie an der Jacobs Universität in Bremen. Ihr Tätigkeitsfeld widmet sich der Forschung des Glücks und wie jeder Mensch etwas zu seinem eigenen Glück beitragen kann.

© WFB/Jonas Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Februar 2022 steht uns Frau Prof. Dr. Hilke Brockmann, Professorin für Soziologie an der Jacobs University Bremen, Rede und Antwort. Welche Momente in ihrem Job für Begeisterung sorgen, wie sie auf dem Freimarkt als Wahrsagerin, Besucher:innen ihre Arbeit näher bringen würde und warum Bremen mit einem Bauernhof zu vergleichen ist, erfahrt ihr hier im Interview:

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftskommunikatorin geworden wären?

Ich kann mich auch gut in der Politik sehen, ich wäre auch gerne eine Unternehmerin geworden oder eine Aktivistin. Mich interessieren Menschen und ich arbeite gerne mit ihnen zusammen, um etwas Neues und Besseres zu schaffen.

  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?

Ich liebe meinen Job, wenn ich ein Heureka Erlebnis habe, wenn ich also etwas wirklich Neues gefunden oder verstanden habe. Das ist schon sehr befreiend und beglückend.

  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucher:innen erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?

Vielleicht wäre es ein ganz in rotem Plüsch ausstaffiertes Zelt, wo ich als Wahrsagerin hinter einer hellen Glaskugel sitze und den Leuten von ihrer glücklichen Zukunft erzähle, wenn, ja wenn sie die Rezepte der Glücksforschung verinnerlichen.

  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?

In einer Zeit steigender Inzidenzzahlen von mental erkrankten Menschen sehe ich einen großen gesellschaftlichen Bedarf an empirisch geprüften Einsichten in das subjektive Wohlbefinden (Glück) der Bevölkerung. Denn gerade hier wird offensichtlich, dass vielen individuellen Erkrankungen durch strukturelle Vorkehrungen schon im Vorfeld effektiv begegnet werden könnte. Das fängt in der Schule an, setzt sich am Arbeitsmarkt fort und hört im Alter nicht auf. Gerade die westlichen Gesellschaften leiden an einer zum Fetisch erhobenen individualistischen Konkurrenzkultur, der wir unsere sozialen Interessen und unser Bedürfnis nach Gemeinschaft und Sinnhaftigkeit mehr entgegenstellen müssen. Das zeigt die Glücksforschung.

  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?

Fortschritt ist, wenn wir Dinge neu verstehen und wenn andere Wissenschaftler diesem neuen Paradigma folgen. Das findet immer dann statt, wenn Befunde von anderen wiederholt werden können, also objektiv sind. Wenn wir als Menschen z.B. verstehen, dass wir nicht ein Gegenmodell zur Natur sind sondern ein Teil von ihr, dann setzen sich Wissenschaftler ganz unterschiedlicher Disziplinen daran, integrative und nachhaltige Dinge und Prozesse zu entwickeln, die eine immer noch wachsende Weltbevölkerung im Gleichgewicht mit unserem Planeten hält und so hoffentlich die Welt rettet.

  • Verraten sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?

Mein wichtigstes Arbeitsinstrument ist der Computer und die Software, die die schönen vielen Datenpunkte zu sinnvollen Modellen von der Wirklichkeit zusammenfasst.

  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?

Ich kam 2002 nach Bremen, kam aus Köln, arbeitete dann aber noch einige Zeit außerhalb Bremens in Rostock.

  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier? Fehlt Ihnen etwas?

Ich wurde damals an die neugegründete englischsprachige Graduiertenschule für Sozialwissenschaften an der Universität Bremen berufen. Das war damals Neuland. Die Volkswagenstiftung gab das Geld und finanzierte eine innovative, internationale Doktorandenschule. 2006 bin ich dann an die Jacobs University gegangen. Auch das war ein wunderbar unkonventionelles, international ausgerichtetes Projekt. Die Kollegen und die Studierenden waren klasse. Und der Geist dieses Universitätsprojekts hat mich in Bremen gehalten. Im Laufe der Zeit haben diese Projekte viele Veränderungen erfahren. Oft hat der chronische Geldmangel im Land Bremen gute Entwicklungen abgewürgt. Ich war dann einige Jahre im Ausland. Jetzt macht die Jacobs University einen Neustart und die Aussichten sind so vielversprechend und ambitioniert, dass ich glücklich bin, bei diesem Start-Up dabei zu sein. Ich hoffe sehr, dass sich die Bremer und Bremerinnen in Zukunft mit ihren jungen und potentiell exzellenten Universitäten und Hochschulen identifizieren. Sie sind die Frischzellkur für eine zukunftsorientierte Stadtgesellschaft. Deshalb begrüße ich es auch sehr, dass ein Teil der Universität Bremen in die Innenstadt ziehen soll. Es muss ja nicht unbedingt der Brill sein. Und ich würde es klasse finden, wenn es einen Fährbetrieb zwischen der Jacobs Universität und der Innenstadt gäbe.

  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?

Ich fahre sehr gerne Fahrrad, ich laufe und gehe zu Fuß. Ich habe aber auch ein kleines Auto, das ich immer weniger benutzen möchte.

  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?

Die Bremer Wissenschaftsszene ist kein Haifischbecken, Raubfisch würde ich also ausschließen. Aber ich kann mich auf keine einzelne Tierart festlegen. Passender ist vielleicht das Bild eines Bauernhofs. Es gibt viel Getier und sie produzieren viel Nutzen. Aber sie müssen auch artgerecht gehalten werden (s. Wissenschaftsbudget) und sie brauchen einen kenntnisreichen Bauern oder eine Bäuerin, die sich hingebungsvoll um sie kümmert, sonst produzieren sie nicht nur Lebensmittel sondern auch unnötigen Mist.

  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen/beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?

Das war sicherlich meine Postdoc Zeit. Ich war am Max-Planck Institut, arbeitete in einem interdisziplinären Institut für Langlebigkeit und musste mich als Sozialwissenschaftlerin zwischen all den Naturwissenschaftlern und Mathematikern durchsetzen.

  • Welche stehen Ihnen noch bevor?

Ich denke, die Jacobs University macht gerade eine große Metamorphose durch. Sie wird die Digitalisierung zum Schwerpunkt machen. Und ich bin hoffentlich da mittendrin.

  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?

Das Leben ist ein Marathon.

  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?

Ich bin in meiner Karriere oft gescheitert und auch mir tut Scheitern weh. Aber ich habe tatsächlich nie wirklich aufgegeben. Trotzdem muss man sich nach jeder Niederlage erst einmal berappeln und Distanz zur aktuellen Situation schaffen. Und aus der Entfernung (geistig oder real) sieht vieles dann nur noch halb so schlimm aus. Das Leben ist halt ein Gesamtkunstwerk.

  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?

Laufen, spazieren, lesen, Musik hören, mit dem Hund spielen, schwimmen, mit Freundinnen sprechen und natürlich Händchenhalten mit dem Ehemann.

  • Die nächsten Nachwuchswissenschaftler:innen ziehen nach Bremen. Was würden Sie ihnen raten, wo man wohnen und abends weggehen soll?

Wahrscheinlich das Viertel. Aber in der Tat, da hat Bremen etwas aufzuholen.

  • Mit wem würden Sie diese Wissenschaftler:innen hier in Bremen oder Bremerhaven bekannt machen wollen?

Mit vielen, mit meinen KollegInnen von der Jacobs University, dem DFKI, dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung, dem BIPS, dem EMPAS, dem INIIS, der BIGSSS, dem ZARM, die Liste ließe sich weiterführen und hängt doch immer auch davon ab, welche Interessen der Nachwuchs hat.

  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einer Bremer oder Bremerhavener Persönlichkeit tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?

Ich würde gerne einmal Bürgermeisterin sein.

Portrait von Prof. Dr. Hilke Brockmann

© WFB/Jonas Ginter

Fachbereich

Empirische Sozialforschung, Soziologie

Aktuelle Position / Funktion

Professorin für Soziologie

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt

Forschung zur subjektiven Zufriedenheit (Glücksforschung), sozialer Ungleichheit und Digitalisierung

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