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Wissenschaft Persönlich: Prof. Dr.-Ing. habil. Bernhard Karpuschewski

Prof. Dr.-Ing. habil. Bernhard Karpuschewski
Der Leiter des Fachgebietes "Fertigungsverfahren" an der Universität Bremen und Direktor der Hauptabteilung "Fertigungstechnik" am Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien über den Wissenschaftsstandort Bremen, die gesellschaftliche Bedeutung seiner Arbeit und seine Begeisterung zum Standort Bremen.

© WFB/Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im August 2019 stand uns Prof. Dr.-Ing- habil. Bernhard Karpuschewski Rede und Antwort. Warum er den Wissenschaftsstandort Bremen mit einer Krähe vergleicht, was er aus einem Apfel oder einem Kohlrabi auf dem Freimarkt machen würde und wie er 6.000 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt hat, verrät er im Interview.

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler/in bzw. Wissenschaftskommunikator/in geworden wären?
    Durch meine schulische Laufbahn hat sich automatisch eine Orientierung Richtung Mathematik und Physik ergeben, aber ich habe immer auch den praktischen Bezug gesucht, daher war Maschinenbau die konsequente Entscheidung.
  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?
    Es wird nie langweilig. Die Welt der Technik (der Rest der Welt momentan auch) ändert sich mit rasanter Geschwindigkeit, man muss einfach immer auf der Höhe der Zeit bleiben, sonst ist man abgehängt. In der Forschung und Lehre ist man zudem permanent mit jungen Menschen im direkten Austausch, das hält selbst jung. Begeisterung entsteht natürlich bei Erfolgen in sehr kompetitiven Ausschreibungen von Forschungsprogrammen.
  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besuchern erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?
    Als Eyecatcher könnten sie an einem kleinen Versuchsstand mit Handkurbel und vielen beweglichen Teilen ein Zahnrad aus einem Apfel oder Kohlrabi durch "Fräsen" herstellen (So etwas haben wir wirklich!), wir würden Ihnen dann alte und moderne Leichtbauzahnräder zeigen, für die wir die Fertigungstechnik seit Jahren kontinuierlich weiter entwickeln. Das ist bedeutsam für den gesamten Bereich der Mobilität (Auto (Verbrennung, Hybrid und E-Antrieb), Flugzeug, Bahn, Schifffahrt), für die Energieerzeugung (Windräder) sowie den gesamten allgemeinen Maschinenbau.
  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?
    Wir haben den Anspruch, für wesentliche menschliche Grundbedürfnisse, namentlich Mobilität, Gesundheit, Energie, Umwelt- und Klimaschutz, Kommunikation und Sicherheit beste technische Lösungen zu erarbeiten. Keiner dieser Bereiche ist ohne Fertigungstechnik denkbar. Wir wollen durch unsere Forschung dafür sorgen, dass wir energieeffizienter, schneller, sicherer und ressourcenschonender alles das bearbeiten können, was wir zum gelungenen Leben benötigen.
  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?
    Die Antwort könnte ein ganzer Aufsatz werden. Alle Herausforderungen unserer Zeit lösen wir nur mit gemeinschaftlicher, d.h. disziplinübergreifender Anstrengung. Als Fertigungstechniker haben wir zum Beispiel bei der Energieeffizienz bereits einen wesentlichen Beitrag geleistet. Durch konsequenten Leichtbau, neue Materialien und Fertigungsverfahren werden bewegte technische Systeme leichter bei besserem Leistungsvermögen. Wir verringern Emissionen durch kontinuierlich verbesserte Fertigungsgenauigkeit zentraler Komponenten und werden im Zuge der Digitalisierung der Produktion dafür sorgen, dass uns kritische Teile in einem komplexen System selbst melden, dass sie Wartung oder Austausch benötigen, um teure Ausfälle, Unfälle und unnötigen Ressourcenverbrauch zukünftig zu vermeiden.
  • Verraten sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?
    Ohne Computer geht in den Ingenieurwissenschaften natürlich gar nichts. Wir haben ein Versuchsfeld mit teuren Werkzeugmaschinen für viele Millionen Euro. Aber ehrlich gesagt kann ich niemals auf Papierblock beziehungsweise Flipchart und Handskizze verzichten, um in einer offenen Diskussion im Team eine technische Lösung nach genauer Eingrenzung des Problems zu erörtern. Als wichtigste Methode versuchen wir hypothesengetrieben erst eine Analyse des Problems zu erarbeiten, dann sinnvolle Vorversuche durchzuführen, eine klare Zielsetzung zu formulieren und dann einen Arbeits- und Kostenplan zu erstellen und nach geeigneter Förderung zu suchen. So erschließen wir in der Regel neue Forschungsfelder.
  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?
    Ich kenne die Stadt Bremen privat seit Jahrzenten und den Forschungsstandort seit ca. 25 Jahren durch Kooperationen und Begutachtungen und schätze beides sehr. Ich bin geborener Ostwestfale, meine erste akademische Ausbildung erfolgte in Hannover, ich war dann als Professor in Japan, in den Niederlanden und danach 12 Jahre in Magdeburg tätig und bin erst seit 2017 in Bremen.
  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?
    Das sehr gute Renommee als Forschungsstandort mit ausgeprägter Stärke auf dem Gebiet von Sonderforschungsbereichen bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die sehr gute Zusammenarbeit und Kollegialität im Fachbereich und darüber hinaus, in meinem speziellen Fall die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Universität Bremen und außeruniversitärer Forschung (Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien - IWT), die sehr gute technische Infrastruktur und die kurzen Wege zu Entscheidungsträgern in der Uni und in der Politik. Und ich liebe Norddeutschland und die Nähe zum Wasser.
  • Fehlt Ihnen etwas?
    Bremen fehlt Geld, das ist nichts Neues. Aber wir brauchen einfach eine stärkere Grundfinanzierung in den Forschungsfeldern mit sehr aufwändiger Infrastruktur, um mithalten zu können. Von uns wird nationale und internationale Konkurrenzfähigkeit erwartet, aber im Vergleich zur TU München, der ETH Zürich oder der TU Delft, um nur ein paar "Marktbegleiter" zu nennen, ist unser Budget sehr bescheiden, von den amerikanischen Universitäten gar nicht zu reden.
  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?
    Wie schon in Hannover, Yokohama, Delft und Magdeburg fast immer mit dem Fahrrad. Vom Wohnort zur Uni sind es in Bremen für mich 10 km one-way, daher habe ich mich für ein E-Bike entschieden und bin damit sehr glücklich. Ich habe damit seit September 2017 schon ca. 6.000 Kilometer zurückgelegt.
  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?
    Das wäre vermutlich eine Krähe. Das ist ein sehr intelligenter Vogel, nicht unbedingt schön, aber effizient und sehr kreativ. Sie ist in der Lage, sich auf veränderte Randbedingungen schnell einzustellen und das eigene Überleben zu sichern. Und sie kann sich bei Bedarf deutlich Gehör verschaffen und in Gemeinschaft Durchsetzungskraft entfalten.
  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen/beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?
    Hier möchte ich zwei Aufgaben nennen: Noch aus meiner Zeit an der Universität Hannover hatte mein damaliges Institut IFW den Auftrag, die Fertigungstechnik für den Luft- und Raumfahrtsektor in Niedersachsen zukunftsfähig zu machen. Wir haben dazu in einem sehr großen Projekt bei Airbus an vielen Standorten über mehr als ein Jahr intensiv gearbeitet. Ich war als Oberingenieur des IFW für die Einführung der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung am Standort Varel (jetzt Premium Aerotec) verantwortlich. Diese intensive und erfolgreiche Arbeit hat mich sehr geprägt. Die zweite Herausforderung war die komplette Umstellung des Lehrangebots vom alten Diplom- auf das neue Bachelor- und Master-System, das ich als Prodekan für Lehre der Fakultät für Maschinenbau an der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg verantwortet habe.
  • Welche stehen Ihnen noch bevor?
    You never know. Zumindest beruflich plane ich nicht, Bremen noch mal zu verlassen. Bald endet meine Zeit als Mitglied im Senats- und Bewilligungsausschuss der DFG für Sonderforschungsbereiche (SFB) und dann möchte ich mich aktiv in das Management bereits in Bremen laufender und die Akquise neuer SFBs einbringen.
  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?
    Eigentlich nicht. Bisweilen kann ich schon ungeduldig sein, aber "In der Ruhe liegt die Kraft" ist sicher kein schlechtes Motto.
  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?
    Ablehnung in einem lange zurückliegenden Berufungsverfahren. Man darf sich nie selbst in Frage stellen und die eigene Persönlichkeit verbiegen.
  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?
    Wandern bei Wind und Wetter an der Nordsee zu jeder Jahreszeit.
  • Der/Die nächste Nachwuchswissenschaftler/in zieht nach Bremen. Was würden Sie ihm/ihr raten, wo er/sie wohnen und abends weggehen soll?
    Bremen wird zwar wie alle Ballungsgebiete auch immer teurer, aber im Vergleich mit anderen Standorten ist es noch erträglich. Die jungen Leute zieht es ins Viertel und nach Findorff, meine Frau und ich leben in der Überseestadt und fühlen uns wohl. Ausgehen an der Schlachte, im Viertel und in den tollen Lokalen im Bürgerpark.
  • Mit wem würden Sie ihn/sie hier in Bremen oder Bremerhaven bekannt machen wollen?
    Zunächst mit den Kolleginnen und Kollegen im Fachbereich. Das ist immer der beste Startpunkt für den beruflichen Teil.
  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einer/m Bremer/in oder Bremerhavener/in tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?
    Ich wäre gern mal an Bord des Forschungsschiffs Polarstern des Alfred-Wegner-Instituts als Expeditionsleiter in der Arktis.

Prof. Dr.-Ing. habil. Bernhard Karpuschewski

Prof. Dr.-Ing. habil. Bernhard Karpuschewski

© WFB/Ginter

Titel
Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. h.c. Dr. h.c. Dr. h.c. Bernhard Karpuschewski

Fachbereich / Forschungsfeld
Produktionstechnik, Fertigungsverfahren

Aktuelle Position / Funktion
Leiter Fachgebiet Fertigungsverfahren an der Universität Bremen, Direktor Hauptabteilung Fertigungstechnik am Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien - IWT

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt
Gesamtleitung der Fertigungstechnik mit Schwerpunkten im Bereich spanender Prozesse sowie Ultrapräzisions- und Mikrobearbeitung

Geburtsjahr
1963

Familienstand
verheiratet

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