© WFB/Florian Weiner
Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen – und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.
Vom 20. August bis zum 10. September 2022 findet das 33. Musikfest Bremen statt. Passend dazu und zum Themenjahr klangfrisch 2022. Bremen - Stadt der Musik steht uns im August Prof. Thomas Albert, Musikwissenschaftler und Intendant des Musikfest Bremen, Rede und Antwort. Was ihn an seinem Job begeistert, welchen Tipp er den nächsten Nachwuchswissenschaftler:innen mit auf den Weg geben würde und warum er gerne mal für einen Tag lang das Leben mit dem Bremer Roland tauschen würde, verrät Herr Prof. Albert hier im Interview bei "Wissenschaft persönlich":
Für mich gehören automatisch Kommunikation und Vermittlung unmittelbar zu meiner beruflichen Lebenserfahrung, sowohl beim Erforschen als auch in der Rolle als Musiker. Deshalb wäre es auf eine ähnliche berufliche Situation hinausgelaufen: In jedem Falle etwas Kreatives, das mit Menschen zu tun hat und für die Gesellschaft relevant ist, vielleicht Projektentwickler aller Art … mit Leidenschaft.
Am schönsten ist es, wenn die intensiven Prozesse eine positive Wirkung auslösen! Zum Beispiel: Wenn die für eine musikalische Aufführung erarbeiteten Erkenntnisse so selbstverständlich in das künstlerische Ergebnis einfließen, Gefühle auslösen, die Menschen bewegen – zum Weinen oder zum Lachen.
Das ist eine lustige Vorstellung: Da der Lautstärkepegel dort sehr hoch ist, sehe ich die Chance eher in einer Art Pantomime. Also in eine „Rolle“ geschlüpft, im entsprechenden Kostüm und wie eine Art stummer Erzähler mit Bildern und Utensilien auf einer Minibühne, um zu vermitteln, worum es geht … Gaukler, Hofnarr – wie so oft in der Rolle der Kultur und Forschung.
Diese Frage sollten eigentlich andere beantworten. Dann nämlich, wenn sie festgestellt haben und durch ihr Verhalten oder Resonanz gespiegelt bekommen haben, dass wir die Gesellschaft mit Kultur und Wissenschaft erreichen. Grundsätzlich stehen Aufklärung und Vermittlung im Zentrum von kultureller Bildung. Das ist zurzeit wohl die Herkules-Aufgabe überhaupt.
Fortschritt in der Arbeit zeigt sich ganz schnell in der Verbesserung von Ergebnissen: In der Musik, wenn es einfach gut klingt. Dann hat man wenigstens schon mal seine Intonation, saubere Töne und Akkorde zueinander gebracht. Nennen wir es harmonischen Fortschritt oder Fortschritt in der Harmonie, im Miteinander der Stimmen. Das wäre – bescheiden gesprochen – doch schon mal ein kleiner Anfang bei der Rettung der Welt, oder?
Meine liebsten Arbeitsinstrumente sind Auge und Ohr: Studium von historischen Musikalien und Instrumenten samt ihrer Entstehungsmerkmale, Aufführungssituationen und Rezeptionen.
In Bremen geboren, hier und im Umland aufgewachsen, gab es den fast natürlichen Lebensweg der Parabel: Hinaus in die Welt, um dann wieder ins heimatliche Umfeld mit einem Rucksack voller Erfahrungen zurückzukehren.
Bremen hat hervorragende Möglichkeiten. Es ist ein kompakter Kosmos, mit dem Vorteil ruhiger Arbeitsmöglichkeiten, in vernetzten Prozessen, mit der Möglichkeit größerer Wirkungsgrade, wenn nicht …
Ja, im doppelten Sinne: die Mutfrage! Bremen weist scheinbar in seiner jüngeren DNA kaum Gene eines gesunden Selbstverständnisses auf. Positiv denken und handeln werden immer wieder ausgebremst. Als Künstler oder Unternehmer klappt das unmittelbar und eigenverantwortlich, selbstbestimmt! Aber wenn Politik im Gefolge staatlicher Beteiligung eigentlich mit Mut agieren sollte, brauchen die Entwicklungen meist viel zu viel Zeit: bei Bildung, Wissenschaft, Kultur, Stadtentwicklung. Stärken stärken und den dadurch gewonnen Kraftraum für weitere und neue Projekte und Prozesse nutzen – das ist leider zu wenig ausgeprägt.
Es ist doch Bremens unschlagbares Pfund, eine Stadt der kurzen Wege zu sein. Deshalb geht es am besten zu Fuß. Da kann man schnell immer mal etwas „beschnacken“, man trifft sowieso immer jemanden, den man kennt. Auch mehr als „Tach auch“ oder „wo geiht“ …
Vielleicht der Adler? Vogelperspektive, beobachten, zielgenau landen, handeln … oder aber vielleicht dann doch besser die Stadtmusikanten: Krähen wie der Hahn, wenn es tolle Ergebnisse zu verkünden gibt, stilles wie achtsames Herumschleichen und Forschen auf sanften Pfoten wie die Katze, Bellen wie der Hund, wenn man etwas entdeckt hat – und der getreue Esel, der immer wieder herhalten muss als toller Wissenschaftsstandort, wenn es bei Schule und Bildung wieder einmal nach Canossa und Pisa geht …
Klare Antwort: Das ist die nach wie vor bestehende und scheinbar nur schwer zu überwindende Trennung von Wissenschaft und Praxis! Das begann schon im Studium …
Für mich persönlich ist es immer eine große Herausforderung, Dinge zu akzeptieren, die scheinbar nicht zu verändern sind. Geht nicht, gibt es nicht – es gibt immer Lösungen!
Es wäre zu einfach, alles auf eine Formel zu reduzieren. In jedem Falle gibt es einige Schlüsselmomente, die enorm helfen im Miteinander der Menschen und Dinge. In jedem Falle ist es die sinnliche Wahrnehmung, aufeinander zugehen, schauen und vor allem hinhören, miteinander sprechen. Und dieses am besten frei nach dem Sprichwort: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus …
Immer dann, wenn ein Scheitern in persönlichen wie beruflichen Prozessen daraus resultierte, dass es mir nicht gelungen ist, eigene Vorstellungen und das jeweilige Umfeld für mich in Einklang zu bringen.
Frische Luft, das Erkunden von Natur und anderen Ländern, der Blick über den Tellerrand, Spaziergänge und völlig andere Themen in guten Gesprächen auch mit Menschen, die man bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht kannte, immer offen für Neues und Anderes!
Was soll ich da raten? Die eigene Spürnase und offene Augen werden die hoffentlich vielen begabten jungen Nachwuchswissenschaftler:innen in das adäquate kreative Biotop führen. Jedenfalls eines mit viel Grün und Kommunikationsmöglichkeit, da gibt es doch eine Menge Hotspots, denn Bremen ist eine wunderschöne Stadt, auch als Ausgangspunkt für neue Begegnungen.
In jedem Fall würde ich Ihnen wünschen, sich mit der kulturellen Szene auseinanderzusetzen und sich mit den jungen Unternehmer:innen zu beschäftigen. Denn Kultur und Wirtschaft sind eng verwandte Treiber in der Gesellschaft, erst recht in dem Konzentrat eines so kleinen Bundeslandes wie unser Zwei-Städte-Staat Bremen. Dabei aber bitte immer auch unsere einzigen unmittelbaren Nachbarn miteinbeziehen, das ist überlebenswichtig!
Da fällt mir nur der Roland ein: standhaft mitten im Herzen der Stadt, mit einer guten Übersicht und dem Blick auf die Dinge!
© WFB/Florian Weiner
Geburtsjahr
1953
Fachbereich / Forschungsfeld
Musikwissenschaft: Musik vergangener Epochen und ihre Aufführungspraxis, Aufführungsbedingungen, geschichtliche Einordnung im gesamtgesellschaftlichen Kontext
Aktuelle Position / Funktion
Intendant Musikfest Bremen
Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt
Künstlerische Leitung des Festivals im Speziellen und Entwicklung des kulturellen Lebens, der kulturellen Bildung im Allgemeinen
Familienstand
verheiratet
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