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Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen – und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.
Im Juni 2022 steht uns Rucsandra Popescu Rede und Antwort. Sie ist mit Musik aufgewachsen, spielt seit ihrem fünften Lebensjahr Klavier und ist heute Komponistin, Pianistin und Dirigentin. Frau Popescu unterrichtet an der Hochschule für Künste Bremen und an der Jacobs University Bremen. Im Interview bei "Wissenschaft persönlich" verrät sie uns, welche gesellschaftliche Bedeutung die Musik für sie hat und was sie vor genau 20 Jahren nach Bremen führte:
Da ich aus einer Musikfamilie komme, war die Richtung, in die es geht, schon früh zu spüren - obwohl meine Eltern mich nicht gezwungen haben. Es gab einen schönen Flügel im Haus, der in der Mitte des großen Raumes stand. Ich fuhr immer gerne mit meinem kleinen Dreirad darunter und irgendwann, mit vier, habe ich gesagt, dass ich gerne das Instrument spielen will. Mit fünf fing ich an Klavier zu lernen. Nach paar Jahren wurde leider der Flügel gegen ein Steh-Klavier ausgetauscht und meine Enttäuschung war groß, da für mich ein „Klavier“ nur ein Flügel war. Trotzdem ging das Klavierlernen intensiv weiter. Ansonsten wollte ich auch noch gerne Malerin / Zeichnerin werden, da ich oft bei meiner Oma (Architektin) war und ihr beim Zeichnen zuschaute und die wunderbaren Bilder in ihrem Haus bewunderte.
Als Musiker*in berührt man – wenn auch indirekt - viele Seelen durch die Intensität der Musik. Das erlebe ich oft mit meinen Studierenden oder ehemaligen Studierenden. Ich finde es sehr schön, wenn meine ehemaligen Chorsänger*innen schreiben oder anrufen, dass sie mich und meine Proben vermissen. Sie haben Schwierigkeiten das gleiche irgendwo anders zu erleben. Oder wenn mich jemand, ganz fremde Menschen, nach dem Konzert aufsuchen, um sich zu bedanken für die Musik. Obwohl ich mich ganz auf die Musik konzentriere und nicht primär darauf, Menschen zu berühren – das passiert einfach, und das immer wieder zu erleben, finde ich klasse.
Es wäre bestimmt ein organisierter Stand mit Instrumenten in unterschiedlichen Klangfarben, die man, ohne sie zu berühren, separat und gemeinsam zum Klingen bringen kann. Es sollte darum gehen, den inneren Klang zu hören, nicht einfach laut zu spielen.
Musik diszipliniert unglaublich und sie entwickelt die Persönlichkeit des Menschen und auch das Nachdenken. Wir lernen durch Musik enorm den anderen zuzuhören. Wir lernen viel besser mit Emotionen umzugehen und uns zu äußern, miteinander zu kommunizieren. Probieren Sie nach einer Probe / Musikmoment die Menschen anzusprechen: Sie werden sehen, wie einfach sie sich öffnen.
Die Musik ist die beste Medizin, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Musik war und ist präsent in allen Kulturen, egal in welcher Form. Fortschrittlich wäre es, wenn der Zugang zur musikalischen Ausbildung /Instrumenten/ musikalischem Material möglich und frei für alle Kinder und Jugendliche dieser Welt sein könnte.
Die Musik, der Klang, der Ton begleitet uns von der Geburt bis zum Tod. Die Musik, egal ob wir sie U oder E-Musik nennen, schafft die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Kulturen, Nationen, Sprachen. Musik schafft es sogar, Unterschiede (auch politische) zur Seite zu schieben. Es ist die beste Form sich zu äußern: in Freude, in Trauer, im Stress, hilft einem die Musik. Es wurde auch wissenschaftlich durch die medizinische Forschung bewiesen, welch großes Potential Musik für die Entwicklung von Fähigkeiten in Lernprozessen bei Kindern birgt. Ich scherze gerne oft über meinen Beruf und sage: ich habe den besten Beruf der Welt, da ich mich damit selbst „therapieren“ kann. Gerade wegen dieser heilenden Wirkung von Musik sollte der Zugang dazu kein Privileg sein, sondern müsste viel mehr allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ermöglicht werden, z.B. in der Schule.
Mein „Leid-“ und gleichzeitig „Freud-“ Instrument war das Klavier (als Kind habe ich bis zu sieben Stunden am Tag geübt). Ich habe auch mit Musiksoftwares, Tonband und digital gearbeitet, natürlich noch mehr durch die COVID-19 Pandemie. Mit der Zeit und durch die Vielfältigkeit meiner musikalischen Arbeit habe ich mich allerdings ein bisschen davon entfernt, um mich mehr auf das Gehör zu konzentrieren. Ich höre lieber zu und höre mich mehr innerlich (z.B. beim Komponieren). Mein Interesse gilt dabei den unterschiedlichen Klangfarben, z.B. beim Chor den menschlichen Stimmen, und diese so zu analysieren und zu entwickeln, dass es während des Unterrichts zu immer neuen Klangerlebnissen kommen kann. Ich mag es also mehr zuzuhören und die Problematik des Klanges besser so zu unterstützen und zu modellieren.
Ich bin vor genau 20 Jahren mit einem ERASMUS-Stipendium für ein Jahr aus Bukarest nach Oldenburg, in die Kompositionsklasse von Prof. Violeta Dinescu, gekommen. Ich bin danach zurück nach Bukarest gegangen, um dort mein Diplom abzuschließen, aber bin dann für ein Jahr nach Oldenburg zurückgekehrt, um ein Praktikum bei Prof. Dinescu zu machen. Dank ihrer Empfehlung bin ich an die HFK Bremen zu Prof. Younghi Pagh-Paan gekommen, um mein Post-Diplom Studium als letzte Studentin ihrer Kompositionsklasse zu absolvieren.
Wie schon viele über Bremen sagten: „Bremen ist ein Dorf mit Großstadtcharakter“. Ich komme aus einer großen Stadt – Bukarest (auch „Le petit Paris“ genannt), wo mir das künstlerische Leben des Theaters, der Konzerte und Festivals sehr wichtig war. Trotzdem mag ich es, mich zurückzuziehen und ein bisschen inkognito zu sein. Um auf der einen Seite kreativ und intensiv mit Gruppen/ vielen Menschen arbeiten zu können, muss ich mich auf der anderen Seite auch Mal isolieren können. Bremen bietet Vieles – Ruhe, die ich für meine Arbeit brauche, aber genauso ein lebendiges kulturelles Leben und gut zu erreichende Theater und Konzertsäle. Die Hochschulen und die Wissenschaft spielen dabei auch eine wichtige Rolle und bereichern das Leben in der Stadt ungemein. Der Austausch und der direkte, persönliche und freundliche Kontakt mit kompetenten Ansprechpartner*nnen trägt dazu bei, das ich mich in Bremen sehr wohl fühle.
Mehr Geld für Bildung, bessere und sicherere Stellen für die vielen qualifizierten Dozent*innen und Musiker*innen, die oft jahrelang unglaublich viel Energie und Mühe in tolle Projekte in dieser Stadt investieren und dennoch keine sichere Perspektive haben. Es ist traurig zu sehen und zu erleben, dass viele Stellen an den Hochschulen weggekürzt werden. Das macht es auf die Dauer auch unmöglich, gute Wissenschaftler*innen hier in Bremen zu halten.
Ich muss zugeben, dass sich durch die Pandemie die Nutzung meines privaten Autos deutlich gesteigert hat. Wenn das Wetter es erlaubt, steige ich gerne aufs Fahrrad. Es tut einfach gut nach langem Proben im Stehen eine lange Fahrradstrecke zu schaffen. Ich gehe auch gerne und viel zu Fuß, wenn nicht gerade mein Rucksack voll mit Partituren ist. Ich arbeite allerdings in der Regel spät am Nachmittag und abends, da der Unterricht und die meisten Proben abends stattfinden. Daher fühle ich mich oft wohler, direkt ins Auto zu steigen.
Spontan gesagt – Chamäleon. Es ist oft sehr präsent und zu spüren - oft müssen wir allerdings noch besser hinschauen, um es zu erkennen.
Es sind genug in meinen Leben. zB. Im letzten Studienjahr (Diplomabschluss) meines Studiums in Bukarest (2004), bevor ich endgültig nach Deutschland kam, habe ich drei Hauptfächer (Komposition – ein Orchesterstück geschrieben, Dirigieren – ein Konzert vorbereitet, und Pädagogik – Klavier mit einem Rezital, alles auswendig vorgetragen) parallel studiert und als erste beendet. Einige Prüfungen fanden am gleichen Tag statt und ich rannte von einer Kommission zur anderen. Gleichzeitig habe ich meine Führerscheinprüfung erfolgreich gemacht. Ich frage mich noch, von wo ich diese praktisch verrückten Kräfte bekam. Ich denke, dass diese Erfahrung meiner beruflichen Entwicklung gutgetan hat – heutzutage stehe ich oft vor sehr unterschiedlichen und heterogenen Gruppen (Chöre, Orchester, Seminare) mit sehr verschiedenen Anforderungen, auf die ich mich in der Regel gut vorbereitet fühle.
Ich lasse mich immer gerne auf neue und interessante Projekten ein, die mir bis dahin ungekannte Facetten und Möglichkeiten einer Künstlerin aufzeigen. Wir sind in einem unendlichen Lernprozess und das ist das Schönste, dass wir ein ganzes Leben weiter lernen. Der Austausch mit jeder neuen Gruppe von Studierenden und mit Ensembles zeigt diese Herausforderung, da jede Gruppe ein bestimmtes Potenzial hat und man sich bemüht, dieses Potenzial auszuschöpfen. Das Schönste ist, dass keine Gruppe gleich ist. Am meisten erlebe ich jedes Semester bei der Jacobs University diese Herausforderungen. Die unterschiedlichen Nationen und Kulturen sind in einem Chor unglaublich zu spüren und es bringt mir viel Freude, sie alle auf eine musikalische fast gleiche klangliche Reise mitzunehmen. Da sie so unterschiedlichen Backgrounds mitbringen, macht es jedes Semester für mich spannend und das seit fast 15 Jahren.
Wie meine Mentorin immer sagte – „Dranbleiben“. Es hat viel mit Geduld zu tun.
Aufzugeben ist leicht. Ich denke, dass man durch eine klare Struktur, ein bisschen Disziplin und Vertrauen in sich, immer einen Schritt weiterkommt. Als Künstlerin und besonders als Chorleiterin und Dirigentin ist die Motivation „the key“. Man muss andere motivieren und die Motivation in sich wachhalten. Ich versuche, keine Angst vor Neuem zu haben, sondern auszuprobieren, weiter zu fragen und neue Wege zu gehen. Dabei sollte man sich nicht auf den Erfolg konzentrieren, sondern auf die Freude an dem, was man in dem Moment tut.
Ich habe von fünf bis ich 18 Jahre alt war Klavier als Hauptfach gehabt. Die solo Instrumentalist*innen (auch Sänger*innen) waren als Göttinnen der Musikszenen angesehen. Die Theoretiker waren oft als langweilig angesehen. Obwohl ich in parallel eine gute theoretische Vorbereitung mit tollem Lehrer und Professoren hatte, war klar, dass ich die Aufnahmeprüfung für Klavier nach der Abi machen werde. Der Druck, einen der wenigen Plätze an der Hochschule Bukarest zu kriegen, war sehr hoch. Ich war immer unter den besten drei Schüler*innen des Musikgymnasiums gewesen. Die Erwartungen waren hoch und wir waren schon in Bukarest bekannt. Als ich mich vorgestellt habe, als letzte Kandidatin für die Klavier-Aufnahmeprüfung (30 Minuten Rezital) an einem sehr heißen Tag des Sommers 1999, wurde mir durch die lange Wartezeit schlecht und es musste ein Notarzt gerufen werden. Ich erinnere mich kaum an etwas, nur, dass es mir peinlich war. Ich konnte nicht auf die Bühne gehen und die Kommission hat mich dann für den nächsten Tag eingeplant. Ich hatte es als Misserfolg erlebt, da ich persönlich am nächsten Tag mein Rezital nicht mehr so gut fand. Ich habe in dem Moment das Klavier gehasst. Trotzdem kam ich auf den letzten Platz in die Hochschule, was schon ein Erfolg für viele war. Das war der Moment, wo ich zusammen mit meiner Familie entschieden habe, einen anderen Weg zu nehmen, was mir später viel mehr Freude und Verständnis für die Musik gegeben hat. Es hat lange gedauert zu verstehen, dass ich nichts verloren habe, sondern etwas gewonnen. Es brauchte viel Zeit zu verstehen, dass man sich von Klischees und Erwartungen trennen sollte, um weiterzukommen.
Durch Stille - einfach keine Musik hören - und lange Spaziergänge, bis ich müde werde. Oder komischerweise durch Fensterputzen (leider nur bei meinen eigenen; obwohl viele Freunde mich herzlich dafür einladen).
Erstaunlicherweise kenne ich nicht sehr viele diese Orte, da ich abends oft arbeite und im Anschluss direkt nach Hause gehe. Oft sind es die „Neuen“, die mir zeigen, wo ich abends in Bremen ausgehen sollte. Im Hinblick aufs Wohnen hängt es viel von der Person ab. Gott sei Dank ist Bremen vielfältig und für alle Geschmäcker ist etwas zu finden.
Mit meinen Chören! Bei Chorproben und besonders bei einer Chorfahrt oder einem Chorwochenende trifft man viele interessante Menschen aus verschiedenen Bereichen. So würden die neuen Wissenschaftler*innen gleich gut hier ankommen und sich willkommen fühlen.
Tauschen möchte ich mit niemandem – ich bin Bremerin. Mit allen guten und schlechten würde ich mein Leben auf gar keinen Fall tauschen.
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Geburtsjahr
1980
Fachbereich / Forschungsfeld
Komponistin, Pianistin und Dirigentin (Schwerpunkt Chorleitung)
Aktuelle Position / Funktion
Musical Director J-Cappella Choir an der Jacobs University Bremen; Dozentin für Chorleitung und Chorleiterin des Hochschulchores und Popchores an der HFK Bremen; Chorleiterin des ensemble d'accord Bremen
Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt
Unterricht an der HFK Bremen (Chorleitung); Unterricht und Pädagogin an der Jacobs University Bremen (wo unterschiedlichen Nationen und Kulturen sich immer in tollen musikalischen Projekten sammeln/ ob Band, Chor, gesanglich oder instrumental); Coach für unterschiedlichen Ensemble; Kompositionsaufträge für wichtigen Ensemble und Orchester (Rumänien, Deutschland, Belgien).
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