Wissenschaft persönlich: Dr. Florence Schubotz

Frau steht im Labor mit Kittel.
Dr. Florence Schubotz forscht als Senior Scientist beim MARUM, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, im Bereich Geowissenschaften. Derzeit beschäftigt sie sich mit der Erforschung von Leben in extremen Lebensräumen.

© WFB/Jan Rathke

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Oktober stand uns Dr. Florence Schubotz Rede und Antwort: Sie arbeitet als Senior Scientist im Fachbereich Geowissenschaften und erforscht Leben in extremen Lebensräumen am MARUM, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften. Was ihr liebstes Arbeitsinstrument ist und mit welcher Persönlichkeit sie einen Tag lang ihr Leben tauschen würde, verrät sie bei „Wissenschaft persönlich":

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin bzw. Wissenschaftskommunikatorin geworden wären?

Für mich war es schon immer klar in einem Gebiet zu arbeiten das mit dem Verständnis und den Schutz der Umwelt zu tun hat. Ich hätte mir genauso gut vorstellen können für ein NGO zu arbeiten oder sogar in die Politik zu gehen. Als ich gegen Ende meines Studiums dann meine Leidenschaft für die Forschung entdeckt habe, konnte ich mir dann keinen anderen Weg mehr vorstellen außer in der Wissenschaft zu bleiben.

  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?

Bei uns ist kein Tag wie der andere. Es steht immer etwas Neues an, ein neues Forschungsprojekt das beantragt werden muss, eine Schifffahrt die geplant werden muss, Proben, die im Labor aufbereitet werden müssen, Studierende oder Gäste, die betreut werden müssen. Es ist die Abwechslung, die diesen Job für mich interessant macht und vor allem die Freiheit, die man hat seine Forschung selber zu gestalten. Jedes Mal, wenn ich Proben in eines unserer Massenspektrometer stelle, bin ich gespannt mir die Ergebnisse anzusehen. Wir arbeiten mit einzigartigen Proben und man weiß nie was man Neues entdecken wird!

  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucher:innen erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?

Wahrscheinlich wäre es ein riesengroßes Puzzle der Erde. Vor allem in meinem Forschungsfeld, wo wir uns Kleinstlebewesen im Meer und am Meeresboden anschauen, betreiben wir oft Detektivarbeit und sammeln viele kleine Puzzlestücke, die erst in ihrer Ganzheit einen Sinn ergeben. Wir müssen sehr interdisziplinär arbeiten, um das System Erde zu verstehen. Puzzeln passt auch zu meinem spezifischen Forschungsgebiet, da wir mit Biomolekülen arbeiten, die wir mit Massenspektrometern analysieren. Da muss man auch die „Puzzlestücke“ des Moleküls wieder zusammensetzen um die einzelnen Komponenten zu identifizieren.

  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?

Der Ozean ist der größte CO2 Speicher der Erde und wir verstehen noch viel zu wenig über die Prozesse, die den Kohlenstoffkreislauf in seiner Ganzheit regulieren und steuern. Wir betreiben Grundlagenforschung über die mikrobiell gesteuerten Prozesse, die im Meer und im Meeresboden stattfinden – oft kann man erst im Nachhinein sagen was der Nutzen von Grundlagenforschung für die Menschheit ist, aber es gibt viele Beispiele in der Biotechnologie und Geotechnologie wo unserer Forschung bereits Anwendung findet.

  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?

Fortschritt ist für mich, wenn man seine Arbeiten veröffentlicht hat und diese dann auch in die Welt trägt und die Gesellschaft über die Bedeutung der eigenen Arbeit informieren und begeistern kann. Es nutzt niemanden, wenn man seine Forschung nur im stillen Kämmerchen macht. Beim Erforschen von extremen Lebensräumen sind wir oft überrascht über die Resilienz von den Mikroben, dass sie zum Beispiel in der Lage sind in Krustengestein zu leben und bei Temperaturen bis 120°C und in Sedimenten bis 2 km Tiefe. Diese Entdeckungen erweitern unser Bewusstsein was Leben eigentlich bedeutet und geben uns Aufschluss darüber wo Leben überall möglich sein kann – auch auf anderen Planeten.

  • Verraten Sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?

Ich habe es schon erwähnt, wir arbeiten mit hochauflösenden Massenspektrometern, diese dienen zur Detektion von Biomolekülen, die von den Mikroorganismen produziert werden. Die Massenspektrometern können mit Chromatographie gekoppelt werden, was dabei hilft komplexe Molekülgemische aufzutrennen. Die Biomoleküle geben uns Rückschlüsse auf die Art von Mikroorganismen, deren Anpassungsmechanismen und deren Stoffwechselwege, wenn wir uns auch die Verteilungsmuster von stabilen Kohlenstoffisotopen anschauen. Die Proben, die wir uns anschauen, kommen von überall her, das kann aus einer heißen Quelle sein oder einem Teich in Bremen, der Nordsee oder irgendwo im Ozean. Für größere Expedition benötigen wir dann natürlich Forschungsschiffe um die Proben einzusammeln.

  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?

Ich kam über Umwege nach Bremen, aber im Nachhinein hat mich mein Weg direkt dorthin geführt. Ursprünglich komme ich aus Südwestdeutschland aus dem Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich. Meine initiale Begeisterung für die Meeresforschung hat mich zunächst nach Oldenburg geführt, wo ich im Grundstudium Marine Umweltwissenschaften studiert habe. Eine ERASMUS Kooperation mit der Universität Las Palmas der Gran Canaria hat mich dann für 1 Jahr nach Spanien geführt, wo ich Meereswissenschaften studiert habe. Dort an der Uni bin ich dann auf ein Werbeplakat für den internationalen Master in Geowissenschaften an der Uni-Bremen aufmerksam geworden. So kam ich nach Bremen und die Stadt hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.

  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?

Für die Meereswissenschaften kann man sich eigentlich keinen besseren Standort vorstellen. Es gibt so viele relevante Institute wie das AWI, ZMT, MPI für Marine Mikrobiologie und natürlich das MARUM mit Forschenden auf allen Gebieten der Meereswissenschaften. Alle Institute sind eng vernetzt miteinander sowie mit internationalen Kooperationspartnern. Am MARUM haben wir diverse Tieefseetechnologien vor Ort, wie zum Beispiel mehrere Tauchroboter und sogar zwei Meeresboden-Bohrgeräte. In der Arbeitsgruppe, in der ich tätig bin, gibt es eine einzigartige Ausstattung an wissenschaftlichen Geräten und technischer Unterstützung, die das Forschen ungemein erleichtert. Des Weiteren beherbergt das MARUM auch eines der drei Bohrkernlager auf der Welt, wo regelmäßig internationale Beprobungskampagnen stattfinden. Das alles macht die Meeresforschung hier wirklich einzigartig und sehr attraktiv.

  • Fehlt Ihnen etwas?

Bei mir ist es meistens nur die Zeit, die fehlt um alles zu machen was ich mir vorgenommen habe.

  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?

Kurz nachdem unser Sohn in die Kita kam, haben wir uns ein Lastenrad besorgt. Damit versuchen wir auch die meisten Strecken zurück zu legen. Bei schlechtem Wetter wird es dann aber doch auch mal das Auto, aber damit bewegen wir uns zumindest elektrisch. Beide unserer Kinder sind begeisterte Bus und Bahnfahrer, daher geht es zum Freimarkt und Ausflüge in die Stadt oft mit der Tram.

  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?

Ich würde passenderweise einen Fisch nehmen. Denn ein Fisch ist agil, wendig und schnell und kann alle Weltenmeere erreichen sofern er das will.

  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen/beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?

Im Wissenschaftsystem zu bestehen ohne auszusteigen oder aufzugeben. Nicht alle meine Forschungsanträge waren erfolgreich und ich musste auch einige herbe Niederlagen erleiden. Da war es manchmal schwierig nicht den Mut zu verlieren und weiter an sich zu glauben. Mir hat es geholfen auch auf Alternativen zu setzen und mich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, die ähnliches durchmachen.

  • Welche stehen Ihnen noch bevor?

Die bevorstehenden Herausforderungen sind es nun selber Großprojekte (mit)zuleiten und ein guter Mentor zu sein für eigene Studierende und Promovierende, die sich ähnlichen Herausforderungen stellen müssen in einer sich schnell wandelnden Welt.

  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?

Kommunikation und Selbstreflektion. Es ist der Schlüssel um Probleme und Missverständnisse vorzubeugen, wichtige Kontakte und Freundschaften zu schließen und um die eigene Forschung relevant für die breite Öffentlichkeit zu machen.

  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?

Generell würde ich sagen, dass man nicht zu hart mit sich selber umgehen soll, sondern sich auch selber Fehler verzeiht um es dann beim nächsten Mal besser zu machen.

  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?

Sport und frische Luft.

  • Die nächsten Nachwuchswissenschaftler:innen zieht nach Bremen. Was würden Sie ihnen raten, wo man wohnen und abends weggehen soll?

Ich würde immer die Neustadt empfehlen. Ich habe dort selber viele Jahre als Doktorandin gelebt und habe das entspannte Leben dort sehr genossen mit den schönen Altbremer Häusern, den kleinen Läden in der Pappelstraße, den vielfältigen Essensmöglichkeiten, dem Südpark und den kleinen Kneipen.

  • Mit wem würden Sie diese Wissenschaftler:innen hier in Bremen oder Bremerhaven bekannt machen wollen?

Antje Boetius, sie ist eine beeindruckende Persönlichkeit, die trotz ihres Erfolges auf dem Boden geblieben sind. Von ihr kann man viel lernen kann in Bezug auf Wissenschaftskommunikation und dem gleichzeitigen Aufsetzen von verschieden Hüten.

  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einer Bremer oder Bremerhavener Persönlichkeit tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?

Dem Bremer Roland auf dem Marktplatz. Ich fände es spannend, all die Leute zu beobachten, die den Tag über vorbeilaufen, jede:r mit seiner bzw. ihrer eigenen Geschichte.

Porträt einer Frau. Hinter ihr steht "marum Quest".

© WFB/Jan Rathke

Geburtsjahr

1981

Familienstand

verheiratet, zwei Kinder

Fachbereich / Forschungsfeld

Geowissenschaften

Aktuelle Position / Funktion

Senior Scientist

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt

Erforschung von Leben in extremen Lebensräumen

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