© WFB / Jonas Ginter
Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen – und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.
Im November 2023 stand uns Prof. Dr. Antonia Kesel, Leiterin des Bionik-Innovations-Centrums der Hochschule Bremen, Rede und Antwort. Zudem ist sie als Studiengangsleiterin der Studiengänge Bionik (B.Sc. & M.Sc.) an der Hochschule Bremen tätig. Was Antonia Kesel an ihrem Job begeistert und was sie Nachwuchswissenschaftler:innen in Bremen auf den Weg geben würde, erfahrt ihr in diesem Interview:
Es war bereits als Kind für mich sehr klar, dass ich Wissenschaftlerin bzw. Biologin werden wollte. Hätte das nicht geklappt, dann wäre die Notlösung wohl Kriminalistin oder Journalistin gewesen, irgendetwas, wo es gilt, die „Wahrheit“ aufzuspüren.
Der Job ist ja sehr vielfältig und bietet daher auch reichlich Gelegenheit zur Begeisterung. Etwa wenn es gelingt, Menschen ob der vielfältigen tollen „biologischen Lösungsansätze“ für „technische Fragestellungen und Probleme“ zu begeistern, insbesondere bei Studierenden zu sehen, wie der „Funke zündet“. Im Forschungsbereich sicherlich immer dann, wenn das Verständnis für das biologische Vorbild so vertieft werden kann, dass die Übertragung in die Technik gelingen kann – und es dann auch tut!
Pflanzen und Tiere (also zumindest im Modell) – viel nach biologischem Vorbild verbesserte Technik.
Die Bionik ist eine hochgradig interdisziplinäre Disziplin zwischen Natur und Technik. Die in einem ca. 3,5 Milliarden Jahren andauernden Entwicklungsprozess der belebten Natur entstandenen „Lösungsvorschläge“ für vielfältige Herausforderungen versuchen wir in zukunftsorientierte Produkte und Prozesse zu überführen. Die Arbeitsfelder sind hierbei sehr weit gespannt, von neuem intelligenten oder selbstheilenden Werkstoff mit vollständiger Rezyklierfähigkeit über ultraleichte Strukturen und Konstruktionen bei minimalstem Ressourcenaufwand bis hin zu energieminimierten Transportsystemen und -vorgängen. Das Credo der Natur und der Bionik ist hierbei „so wenig wie möglich und so viel wie nötig“. Nachhaltigkeit, Ressourceneffizient, Rezyklierfähigkeit lautet quasi der bionische Dreiklang, der in allen Bereichen zukunftsfähiger Technologien und insbesondere im Umfeld der „Biologisierung der Technik“ unverkennbar mitschwingt. Damit zahlt die Bionik ganz unmittelbar auf die Herausforderungen unserer Zeit ein.
Immer dann, wenn es gelingt, das Potential der Bionik (nachhaltigere Produktions- und Planungs-Konzepte, ressourceneffizientere Produkte und Prozesse, voll rezyklierbare Werkstoffe, geschlossene Werkstoffketten etc. etc.) in die technische Anwendung zu bringen. Wir werden die Welt nicht alleine retten können, aber die „Biologisierung der Technik“ wird dabei helfen.
Instrument: Statistik, die Antworten der Biologie (multifunktionale Problemlösungen, über Jahrmillionen entwickelt!) sind so unglaublich „verrauscht“. Ohne Datenstrukturierung und -analyse geht da wenig, wenn die Anwendung in die Technik gelingen soll.
Methode: Diskussion mit interdisziplinären Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen. Bionik ist ein Teamsport!
Vor 2 Jahrzehnten hatte ich hier die großartige Gelegenheit wie das Privileg, den damals völlig einzigartigen Studiengang Bionik an der HS Bremen etablieren zu dürfen. Dafür zieht es einen aus dem Süden dann durchaus in den Norden.
Antworten wir hier nicht alle „kurze Wege“? Das ist hier wirklich unique.
Was mich hier hält? Na, die Bionik, spannende Themen, großartige Studierende, hinreißende Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen, tolle Hochschule (okay, etwas unterfinanziert), schöne Stadt, attraktive Restaurants und Kneipen, anspruchsvolle Kulturszene, viel Grün mitten in der Stadt und natürlich die Weser.
Es wäre unglaubwürdig an dieser Stelle nicht anzumerken, dass die Ressourcen (bekanntermaßen) etwas reduziert daherkommen. Nun, aber auch das trainiert ja die Kreativität.
Mit allem, was gerade zu haben ist: Auto, Fahrrad, Bus, Bahn, zu Fuß und wenn es mal wirklich eng wird: Taxi!
Weniger ein einzelnes Tier als eher einen Hyperorganismus wie etwa ein Ameisenstaat. Im kollektiven Zusammenwirken ergibt sich ein unerschütterliches Gemeinwesen.
Die Erkenntnis, dass Wissenschaft an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften ein völlig anderes Imprinting braucht als an einer Universität.
Der morgendliche Blick in die Newsfeeds zeigt ja seit geraumer Zeit, dass wissenschaftliche/berufliche Herausforderungen sehr schnell von gesamtgesellschaftlichen überlagert werden können. Die Herausforderung unserer Zeit ist sicherlich Optimismus und Zuversicht zu wahren.
Nie nach unten orientieren.
Ich hatte (bis dato) noch nie das Gefühl, gescheitert zu sein. Manchmal funktioniert etwas nicht oder zumindest nicht schnell genug. Das trainiert dann den „Geduldsfaden“, der heute belastbarer ist als früher.
Ich lese gerne, meistens Science Fiction. Gute Zukunftsgeschichten helfen, den Blick nach vorne zu richten und neugierig zu bleiben, auf das was da kommt.
Der Spontanreflex ist hier sicher: das Viertel, aber auch die Neustadt kann da was.
Mit einer Person, die komplementär zum eigenen Forschungsgebiet unterwegs ist. Inhaltliche Spannungsfelder haben oft großes Potenzial für neue, bis dato übersehene Ansätze.
Tauschen? Auf gar keinen Fall!
© WFB / Jonas Ginter
Geburtsjahr
1962
Fachbereich / Forschungsfeld
Bionik
Aktuelle Position / Funktion
Leiterin des Bionik-Innovations-Centrums der Hochschule Bremen, Studiengangsleiterin der Studiengänge Bionik (BA & MA) an der Hochschule Bremen
Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt
Bionische Übertragung von Befunden aus der Biologie in zukunftsorientierte Technik, z.B. durch bio-inspirierte Funktionsoberflächen zur Energiereduktion bei Transportsystemen (u.a. Schiffe, Flugzeuge ebenso wie Rohr- und Schlauchsystem) und optimiertem Wärmetransport an Oberflächen.
© WFB/Jonas Ginter
© Hochschule Bremen
© Universität Bremen / Patrick Pollmeier