Wissenschaft persönlich: Prof. Dr. Andreas Rademacher

Mann im blauen Hemd steht vor einem Technikschrank
Prof. Dr. Andreas Rademacher von der Universität Bremen ist Professor für Mathematische Modellierung und Wissenschaftliches Rechnen sowie Direktor des Zentrums für Industriemathematik (ZeTeM). Aus mathematischer Sicht beschäftigt er sich mit der effizienten Simulation und Optimalen Steuerung von strukturmechanischen Problemen.

© WFB/Jan Rathke

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im März 2024 stand uns Prof. Dr. Andreas Rademacher aus dem Fachbereich Mathematik und Informatik der Universität Bremen Rede und Antwort. Er ist Professor für Mathematische Modellierung und Wissenschaftliches Rechnen und Direktor des Zentrums für Industriemathematik (ZeTeM). Seine mathematischen Resultate finden in ganz unterschiedlichen Gebieten ihre Anwendung: Aktuell betrachtet er unter anderem die Reibung von Gletschern über den Untergrund oder die Ermittlung von Materialparametern mittels Laser-induzierter Stoßwellen-Eindringprüfung.

Was Prof. Dr. Andreas Rademacher am Land Bremen als Wissenschaftsstandort schätzt und mit welcher Bremer Persönlichkeit er gerne mal für einen Tag lang sein Leben tauschen würde, erfahrt ihr in diesem Interview:

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?

Mich haben schon immer Simulationen und die damit verbundene Möglichkeit, Ergebnisse von Prozessen vorherzusagen, fasziniert. Deshalb wäre ich dann wahrscheinlich auch in diesem Bereich tätig geworden. Insbesondere eine Tätigkeit im Rahmen der Produktentwicklung hätte mich gereizt, bei der man das Ergebnis in der Realität später gesehen hätte.

  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?

In der Mathematik liegt vielen Arbeiten häufig eine Idee zu Grunde, die sich in wenigen Worten oder Formeln zusammenfassen lässt. Mitzuerleben, wie eine solche Idee entsteht, und dann zu sehen, wie das fertig ausgearbeitete Ergebnis nach wochen- oder monatelanger Detailarbeit mit Begeisterung gerade von jungen Nachwuchswissenschaftler:innen vorgestellt wird, gehört wirklich zu den schönsten Momenten.

  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucher:innen erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?

Auf dem Stand ständen den Besucher:innen viele kleine Experimente zum Ausprobieren zur Verfügung, bei denen sie die Anwendung mathematischer Resultate mit all ihren Möglichkeiten aber auch Grenzen kennenlernen können. Ein Beispiel wäre ein Kran, den die Besucher:innen so steuern müssen, dass seine Last schnellstmöglich von A nach B bewegt wird, ohne dass die Last ins Pendeln gerät. Hier gilt es der auf mathematischem Wege gewonnenen optimalen Lösung, die parallel erklärt und am Computer visualisiert wird, möglichst nahe zu kommen.

  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?

In meiner Arbeitsgruppe entwickeln wir als Mathermatiker:innen neue Algorithmen, die dabei helfen, eine Vielzahl von Aufgabenstellungen zu lösen. Der große Vorteil der Mathematik ist dabei ihre Sichtweise auf generelle Strukturen. Wir entwickeln z.B. Algorithmen, um die Reibung eines Gletschers am Untergrund zu bestimmen. Die erzielten Resultate sind ein wichtiger Baustein, um die Prognosen des Meeresspiegelanstiegs zu verbessern. Die gleichen Algorithmen kann man aber auch einsetzen, um die Gestaltung von Spezialschrauben zu verbessern.

  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?

Wir sprechen von Fortschritt, wenn es uns gelungen ist, ein mathematisches Problem zu lösen. Dabei kann es sich um ein neues Verfahren zur Lösung von Aufgaben oder aber auch den Nachweis von verschiedenen mathematischen Eigenschaften eines solchen Algorithmus handeln. Damit retten wir sicher nicht die Welt. Aber häufig gelingt es in der Anwendung doch, sie damit ein kleines Stück besser zu machen.

  • Verraten Sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?

Mein liebstes Arbeitsinstrument ist ein Stück Kreide und eine Tafel. In der Diskussion mit anderen Wissenschaftler:innen an der Tafel entstehen viele neue Ideen.

  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?

Im April 2020 bin ich in Bremen gestartet, nachdem ich vorher mehrere Jahre an der Technischen Universität Dortmund gearbeitet habe. Seit meiner Promotionszeit habe ich sehr viel interdisziplinär gearbeitet und diese Interdisziplinarität findet sich am ZeTeM und seinem Umfeld wieder. Auch steht hier der Anwedungsbezug der Mathematik im Fokus, was ich sehr schätze. Deshalb war ich von dieser Stelle mit all ihren Möglichkeiten sofort begeistert.

  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?

Die sprichwörtlich kurzen Wege im Land Bremen finden sich auch in der Wissenschaft wieder und das begeistert mich immer wieder aufs Neue. Auch die enge Verzahnung der Universität mit den Senatorischen Behörden ist wirklich sehr hilfreich. Auf diesem Wege habe ich schon einige tolle Dinge gesehen, die es so an anderen Universitäten nie geben könnte.

  • Fehlt Ihnen etwas?

So schön Bremen und die Umgebung gerade in Richtung Nordsee auch sind, manchmal fehlen mir als gebürtigem Sauerländer gerade beim Fahrradfahren und Joggen einfach die Berge.

  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?

In der Stadt selber am liebsten zu Fuß. Denn dabei kann man zwischendrin gut Luft holen. Bei längeren Strecken nutze ich die Straßenbahn. In den Randgebieten oder im Umland bleibt leider häufig nur das Auto.

  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen/beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?

Da fällt mir die Wahl zwischen zwei Situationen schwer: Als unsere erste Tochter zwei Tage alt war, rief mich mein damaliger Chef an und teilte mir mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen die nächsten Monate komplett ausfalle und ich ihn vertreten solle. Das war sowohl familiär als auch beruflich eine sehr herausfordernde Zeit, insbesondere da damals schwierige strategische Entscheidungen für die Arbeitsgruppe zu fällen waren.
Der Wechsel nach Bremen in der Corona Zeit war ähnlich schwierig. Als Familie geschlossene Kitas und Homeschooling zu bewältigen und gleichzeitig die neue Professur anzutreten, das war eine Mammutaufgabe.

  • Welche stehen Ihnen noch bevor?

Die aktuell größte Herausforderung besteht in der Mathematik wie auch in vielen anderen MINT-Fächern darin, mehr junge Menschen für unsere Fachgebiete zu begeistern. Da wird es viele gute Ideen und einen langen Atem brauchen. Alles Weitere wird die Zukunft zeigen.

  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?

Die eine Erfolgsformel habe ich nicht. Was sich aber am Ende meistens ausgezahlt hat, war, nach Chancen suchen, hartnäckig sein und auch mal einen zweiten oder dritten Anlauf nehmen sowie sich auf das konzentrieren, was man selber beeinflussen kann, und die Situation so annehmen, wie sie ist.

  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?

An meiner ersten mündlichen Prüfung im Mathematik Studium Ende des zweiten Semesters in Lineare Algebra I und II bin ich zwar nur gemessen an meinen eigenen Ansprüchen gescheitert, aber ich habe niemals wieder so viel über Mathematik, das Studium der Mathematik und vor allem mich selbst gelernt, wie in diesen 45 schonungslosen Minuten.

  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?

Meinen Kopf bekomme ich bei körperlicher Betätigung an der frischen Luft wieder frei. Das kann ein einfacher Spaziergang oder Sport aber auch die Arbeit im Garten sein.

  • Die nächsten Nachwuchswissenschaftler:innen ziehen nach Bremen. Was würden Sie ihnen raten, wo man wohnen und abends weggehen soll?

Das ist ein gutes Thema für die Vorstellungsrunde der neuen Nachwuchswissenschaftler:innen in der Arbeitsgruppe, da gibt es eine Menge Erfahrung zu diesem Thema. Ich bin eher bewandert bei guten Wohnlagen für Familien und den Möglichkeiten zu gutem Essen in der Nähe der Universität.

  • Mit wem würden Sie diese Wissenschaftler:innen hier in Bremen oder Bremerhaven bekannt machen wollen?

Ich habe hier in Bremen einige sehr beeindruckende Wissenschaftler:innen kennengelernt, von denen Nachwuchswissenschaftler:innen viel darüber lernen können, .wie man in der Wissenschaft erfolgreich ist. Solche Personen in seinem Netzwerk zu haben ist unbezahlbar und von daher würde ich sie mit diesen Wissenschaftler:innen bekannt machen.

  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einer Bremer oder Bremerhavener Persönlichkeit tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?

Da ich sehr an Geschichte interessiert bin und immer schon einmal „live“ dabei sein wollte, wenn politisch bedeutsame Entscheidungen gefällt werden, würde ich den Bremer Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte wählen, wenn eine Bund-Länder-Runde zu einem wichtigem Thema an dem Tag ansteht.

Mann vor Tafel mit mathematischen Formeln

© WFB/Jan Rathke

Fachbereich / Forschungsfeld

Mathematik und Informatik, Zentrum für Industriemathematik (ZeTeM)

Aktuelle Position / Funktion

Professor für Mathematische Modellierung und Wissenschaftliches Rechnen, Direktor des ZeTeM

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt

Aus mathematischer Sicht beschäftige ich mich mit der effizienten Simulation und Optimalen Steuerung von strukturmechanischen Problemen. Meine mathematischen Resultate finden in ganz unterschiedlichen Gebieten ihre Anwendung: Aktuell betrachten wir unter anderem die Reibung von Gletschern über den Untergrund oder die Ermittlung von Materialparametern mittels Laser-induzierter Stoßwellen-Eindringprüfung.

Geburtsjahr

1980

Familienstand

Verheiratet, zwei Kinder

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